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Die deutsche Presse im Fall Werner.
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sichten auf das augustenburgische und weifische Hinterland zu nehmen haben, weiß Jedermann. Aber für die Presse des Binnenlandes war diesem durch­sichtigen Motiv gegenüber entschieden Vorsicht am Platz. Und dennoch hat der größte Theil der deutschen Presse den Organen der Seestädte noch nie­mals gedankenloser nachgeschrieben, als in der Vigilante-Affaire.

Heute werden viele so ungern an ihre Theilnahme an diesen Thorheiten erinnert, daß sie vielleicht geneigt sein könnten, diesen Zeilen Uebertreibung vorzuwerfen. Um diesem Einwand zu begegnen, wird nur ein einziges Bei­spiel angeführt, welches vortrefflich zeigt, in welchem Grade der Fall Werner das öffentliche Urtheil verwirrt hatte. Im Unterschied zur Tagespresse haben nämlich die politischen deutschen Zeitschriften bisher ihr Urtheil in der Sache zurückgehalten. Denn es fehlte bis vor etwa zwei Wochen an jeder weiteren offiziellen Auslassung über den Fall.

Und es ist nicht Brauch bei den deutschen politischen Revuen, in die Entscheidung über eine so lebhaft ventilirte Frage mit dem Geständniß ein­zutreten, welches die Tagesblätter ungenirt in jedem ihrer Leitartikel ablegten, daß sie über die amtlichen Jnstructionen Werner's gar nicht unterrichtet seien, aber sich dennoch ein maßgebendes Urtheil erlaubten. Das erinnert zu leb­haft an jenen Sächs. Abgeordneten des Unverstandslandtags, welcher meinte: Ich kenne die Absichten der Regierung nicht, aber ich mißbillige sie." Von dieser Zurückhaltung ihrer Colleginnen machte bereits Mitte August eine Zeit­schrift eine Ausnahme, welche nach dem Krieg mit dem Versprechen ins Leben getreten war,die Ausbildung der Zucht und Hingabe an den Staat in den Bürgern zu fordern", und welchedurch einen Kreis bewährter Schriftsteller getragen wird, darunter nicht wenige wohlbekannte Gelehrte und Politiker, die seit Jahren in der Arbeit für die höchsten Interessen unserer Nation treu verbunden zusammenstehen. Sie sind gewohnt an das Vaterland zu denken da, wo sie kritisch urtheilen, wie da, wo sie zu unterhalten und zu gefallen suchen." Von einem Blatte, das nur Männer zu Mitarbeitern zählt, die auch bei bloßen Regungen der Gefallsucht gewohnt sind, an das Vaterland zu denken, von diesem Blatte, das angesichts der Heldenthaten von 1870 und 1871 die den Deutschen ganz neueForderung" derAusbildung der Zucht und Hingabe an den Staat in den Bürgern" stellte, durfte man gewiß ein eminent patriotisches Urtheil im Werner'schen Fall erwarten- Und wie ist das ausgefallen! Der Artikel über den Kapitän Werner läßt den Leser zwar im Zweifel, ob der Verfasserkritisch urtheilen" wollte oderzu unter­halten und zu gefallen suchte" leicht wird der Leser die letztere Absicht für die vorwiegende halten aber keinen Zweifel läßt der Artikel darüber, daß ein Gemisch von Bosheit und Unkenntniß nicht anders urtheilen wird, als