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Die deutsche Presse im Fall Werner.
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Zu

Gleichwohl hielt sich das Gros der deutschen Tagespresse berechtigt, nun fol­genden Kreislauf von Raisonnements anzutreten. Man beendigte zunächst die bereits vor der Abberufung Werner's begonnenen Untersuchungen über die einschlagenden völkerrechtlichen Fragen in dem Sinne, daß Werner den Ka­theder-Begriffen des internationalen Seerechts vollkommen genügt habe. Beweis: die Zustimmungsadresse der spanischen Deutschen, die vernachlässigte Erziehung des Dictators Contreras, die schlechten Gewohnheiten der Inter­nationale. Zweiter Gedanke: Da der Kapitän Werner völkerrechtlich correct gehandelt hat, so kann nur blasser politischer Neid und garstige Intrigue ihn von seinem Posten entfernt haben. Erste Variation dieses Gedankens: Bis- marck ist eifersüchtig auf Werner, der Kanzler auf die Admiralität, auf das Seewesen, auf die militärische Leitung und wer weiß sonst noch was. Er hat durch einen Gewaltstreich in das Ressort der Admiralität gegriffen, um Werner zu stürzen. Zweite Variation: Folgen. Die Admiralität und Flotte ist brüskirt und beleidigt in der Person Werner's. Sie thut nicht mehr mit. Der Generalstab ist beleidigt, weil das Attentat auf den Kapitän zu Wasser auf einen heimkehrenden Kapitän zu Lande zielt. Die Presse ist verletzt, weil die Offiziösen dem Liebling des Volkes die Schriftstellern vorge­worfen haben. All das thut nicht gut. Es kann weitere schreckliche Folgen haben.

Da diese ausbleiben, so muß das Register der Verdienste und der Rüh­rung gezogen werden. Die Balgtreter sind die hanseatischen Organe. Das Binnenland war der Raisonnements über die ewige Vigilanten-Affaire längst überdrüssig. Aber die Seestädte, die so freundlich gewesen sind, bis zur Grün­dung des Norddeutschen Bundes die Sorgen für den Schutz der deutschen Küsten und Seewehr Preußen allein zu überlassen, und ihre Beziehungen zur deutschen Zoll- und Handelseinheit noch heute nur in Groten und Mark Banko ausdrücken, sie geben sich in diesem Falle durch ihre Zeitungen den Anschein, als ob sie allein ein lebendiges Gefühl für die Ehre der deutschen Flotte hätten. Sie beleben das öde Binnenland mit immer neuen Sen­sationsnachrichten über Werner. Sie schildern uns mit wie viel Seeigeln Kapitän Werner das Museum von Kiel bevölkert hat, wie viel Hünenfrauen- beckentnochen noch in Aussicht standen, wenn er auf seinem Posten verblieben wäre. Sie eröffnen uns die triste, aber freilich schon in der nächsten Nummer als verfrüht widerrufene Perspeetive, daß Kapitän Werner vor ein Kriegsge­richt in Wilhelmshaven gestellt werde. Sie berichten uns aus unbekannten Quellen von den Phasen des Entschlusses des Kapitäns, seine Entlassung zu nehmen oder nicht, und versichern uns aus eben so unbenannten Quellen, daß der Kapitän ausreichend zu leben habe, auch wenn er den Dienst bei der deutschen Marine quittire. Daß gewisse Organe in den Hansestädten Rück-