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mentlich kulturgeschichtlichen Momente, wie sie nach einander hervortreten, (z. B. die Errichtung von Städten, die Bildung und Verzweigung bestimmter Verkehrswege von Land zu Land, die Vertheilung und Verschiebung der Bevölkerungen, der Stämme, die Vergrößerung oder Verkleinerung der verschiedenen Staaten u, dergl. m,) anschaulich markiren, gleichsam vor den Augen der Schüler selbst entstehen lassen könne. Natürlich müsse bei diesem Unterricht, wie überhaupt beim Geschichtsunterricht auf Schulen, das kulturgeschichtliche Moment überall im Vordergrunde stehen und ganz vorzugsweise berücksichtigt werden.
Auf den Borschlag der Herrn Duden und Dr. Leibing werden die beiden Vorredner, Gareis und Biedermann, ersucht, ihre Ansichten über die Art der abzufassenden Lehrbücher einer Commission des Centralausschusses näher zu detailliren, überhaupt mit ihr wegen Ausführbarkeit, eventuell Ausführung des Gareis'schen Planes ins Einvernehmen zu treten. Beide erklärten sich dazu bereit. Mit dieser Modalität spricht sich die Versammlung für den Gareis'schen Antrag aus. nachdem noch das Wort „Staatslehre" darin mit der passender erscheinenden „Verfafsungs- und Gesetzeskunde" vertauscht worden ist.
Der letzte Gegenstand der Sitzung des zweiten Tages und damit dieser dritten Generalversammlung der Gesellschaft überhaupt, war ein Vortrag des bekannten Wortführers der Gewerkoereine, Dr. Max Hirsch, über „Volkswirthschaftslehre und Volksbildung". Die Volkswirthschaftslehre, führte er aus, müsse dem Volke näher gebracht werden, denn ihre Lehren, auch die einfachsten und anerkanntesten, seien in weiteren Kreisen noch unbekannt oder doch unverstanden, und daher gelänge es den socialistischen Agitatoren so leicht, die Massen für ihr Utopien zu entflammen. Beiläufig sprach er die Ansicht aus: man werde den Socialisten um so wirksamer entgegentreten, wenn man das wirklich Wahre an ihren Behauptungen (z. B. gewisse Mißstände unseres heutigen wirthschaftlichen und socialen Lebens) unumwunden zugestehe, wie dies die Gewerkvereine und die Kathedersoeialisten thäten. (Nur diese?) Daß die Volkswirthschaftslehre auch für minder Gebildete faßlich dargestellt werden könne, hätten in Deutschland freilich erst Wenige, aber immerhin doch Einige, z. B. Schulze-Delitzsch. gezeigt. Redner schließt mit der Forderung einer Einführung der Volkswirtschaftslehre mindestens in die obligatorische Fortbildungsschule, sowie in die Bildungsvereine. Der Antrag fand Beifall, aber auch Widerspruch. Der Reichstagsabgeordnete, Prof. Birnbaum-Plagwitz (Lehrer der Landwirthschaft an der Universität Leipzig) hält die Einführung der Volkswirthschaftslehre in die Völksschule für unthunlich, befürwortet dagegen ihre Aufnahme in die Fortbildungsschulen und die Bildungsvereine, worin sich ihm Dr. Hirth anschließt.