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Ganze mehr als den Einzelnen. Die Freikirche erzeugt die Frische und Beweglichkeit, die privilegirte Kirche die Reinheit und Festigkeit des religiösen Lebens. Jene erwirbt in? Kampf, diese im Frieden. Jene greift an, erobert, regiert, diese vertheidigt, schützt und pflegt.
So blicken wir neidlos, anerkennend auf das Fremde, aber freuen uns auch ungestört des eigenen Besitzes. Die amerikanische Ordnung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat würde nur dann von uns nachgeahmt werden müssen, wenn die privilegirten Kirchen zerbröckelten, und so Volkskirchen, die als solche auf Auszeichnungen Anspruch erheben dürfen, aufgehört hätten zu existiren. Davor aber wolle Gott unsere Kirche und unser Volk bewahren. Das politische Deutschland ist geeint, möchte das kirchliche Deutschland gewonnene Einheiten nicht zerstören, sondern sie befestigen und erweitern. Wir haben hier vor allem den Protestantismus im Auge. Seine Einheit, wenigstens innerhalb Deutschlands, fordern wir nicht etwa im politischen, sondern vielmehr im kirchlichen, religiösen und sittlichen Interesse. Die Pädagogie, welche die evangelische Kirche dem deutschen Volke schuldet, wird sie ihm nur in dem Maße gewähren können, als sie, festgegründet im Glauben an die biblischen Heilsthatsachen und Heilswahrheiten, die dogmatischen Differenzen unterordnet, als eine Einheit sich ihm darstellt, so dasselbe in seine Hallen ruft und geheiligt, geweiht in die Werkstätten der irdischen Arbeit entläßt.
Uichard Wagner's „Umg des Mbeümgen".
, ' 3.
Die Tetralogie.
Zwischen der Siegfriedsage und der Göttersage des deutschen Heidenthums hat Wagner in der Tetralogie „der Ring des Nibelungen" die engste Bezieh ung hergestellt, indem er aus dem Göttergeschick Siegfrieds Ursprung herleitet; und aus Siegfrieds Ende wiederum das Ende der Götterwelt. Wagner knüpft an das hochtragische und geheimnißvolle Motiv der Götterdämmerung an, an die Sage vom Untergang der Asengötter. Der Ursprung dieses Zuges im deutschen Heidenglauben ist wohl noch nicht völlig erklärt, aber er läßt eine tiefsinnig großartige Weltauffassung errathen, wie sie keiner anderen Mythologie zu Grunde liegt. Die Sage von untergegangenen Göttergeschlechtern wiederholt sich allerdings öfters, und in manchen Mythologien wiederum finden^wir sterbende und wieder auflebende Götter. Durchaus eigenthümlich aber ist der Zug deutschen Götterglaubens, daß der Untergang der