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Die Malertechnik und Kunstübung alter Meister.
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Wenn ich darum den geneigten Leser bitte, mir durch einige dieser alten Ateliers zu folgen, so habe ich nicht die Absicht, aus einigen Namen und Daten und einem guten Theil Phantasie moderne Ateliers in alte umzuco- stümiren und als solche vorzustellen, sondern aus den dürftigen Notizen, die wir über diesen Punkt haben, ein möglichst objectives, freilich weder poetisches noch farbenreiches Bild zusammen zu stellen. Wie zerstreut und mager diese Notizen sind, ist schon aus den Quellen zu ersehen, aus denen sie fließen. Es steht uns nichts weiter zu Gebote, als einige juristische Aufzeichnungen, Kaufcontrakte, Nachlaßregulirungen, etliche zufällige Notizen in Geschäfts­briefen und Tagebüchern und besonders mehrere Mal- und Neceptbücher, denen man neuerdings besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat.

Endlich gewährt die bekannte, wunderliche Mode der alten Kunst, Vor­gänge der heiligen oder profanen Geschichte ganz so darzustellen, als hätten sie sich zu Lebzeiten des Malers ereignet, uns auch einen bildlichen Einblick in Atelier und Apparat des Malers. Bekanntlich war der Evangelist Lucas der Sage nach Maler. Wo er also mit seinen Attributen oder, wiederum der Sage nach, Maria mit dem Kinde abmalend dargestellt wird, sehen wir einen Maler, einen Zeitgenossen des Darstellers.

In jenen früheren Zeiten des Mittelalters, in denen sich noch Mönch und Handwerker in die Arbeiten der Kunst theilten, kann von einem Atelier nicht die Rede sein. Dem erstern genügt ein Stuhl von massivster Bauart an dessen Seitenlehnen nach vorn ein Schreibpult befestigt ist. Feder, Farben- töpfchen und etliche Pinsel von Eichhörnchenhaar machen seinen gesammten Apparat aus. Der andere ist mehr Anstreicher als Maler, nebenbei auch je nach Ort und Gebrauch Holzschnitzer, Schachtelmacher, Sattler, Zeugdrucker u. s. w- Darnach richtet sich natürlich seine Werkstatt.

Aber auch zur Zeit, wo wirklich schon von Kunstübung der zunftmäßigen Maler die Rede ist, selbst noch in den Tagen eines Dürer unterscheidet sich das Malerzimmer in nichts von irgend einem anderen. In Breslau lagen die Woh­nungen der Maler, wie sich aus den Schöppen- und Excessus-Büchern ergibt, nicht einmal nach Norden sondern auf dem nach Westen hinsehenden Theil der Altbüßerstraße und des Neumarktes. Auch Dürer's Atelier würde heut­zutage zu nichts weniger als zu einem Malerzimmer geeignet erscheinen. In seinem in der oberen Zisselgasse gelegenen noch heute stehenden Hause scheint sich dies Atelier zu ebener Erde befunden zu haben. Das nach Norden gehende eine große Fenster liegt der hohen dunklen Stadtmauer fast unmittelbar gegen­über, so daß nur ein schmaler gebrochner Lichtstreif von Oben einfallen kann demnach nichts weniger als Oberlicht in dem Sinne wie es unsere Künstler heute verlangen.