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Die gesetzliche Regelung der Gold- und Silberverarbeitung. I.
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siver Gegenstand, der überall den gleichen Goldglanz und die gleiche Gold­folie behält. So zeigt hier das Dichterwort

Was glänzt, ist für den Augenblick geboren, Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren," seine tiefe, auch ökonomisch anzuerkennende Wahrheit! Nebenbei hat die Erzeugung leichter Goldwaaren auch anderen Schwindel hervorgerufen. In Berlin z. B. existirt, nach den Mittheilungen dortiger Blätter, eine besondere Klasse von Geschäftsleuten, die manPfandscheinschieber" genannt hat. Diese Leute kaufen mit Vorliebe leichte Goldwaaren, unsolid gearbeitete gol­dene Uhren u. s. w., verstehen es, dieselben zu außerordentlich hohen Preisen zu versetzen, wobei ihnen namentlich die Humanität der König!. Leihämter be­treffs der Abschätzung der Pfänder zu Gute kommt. Sie inseriren dann Darlehensgesuche verlockender Art, unter Versprechungenormer Zinsen und Verpfändung von Königl. Werthpapieren", sowie Fingirung wirksamer Eigenschaften, unter denen die desarmen Landwehrmannes" eine große Rolle spielt. Bleiben am verabredeten Termine Kapital und Zinsen aus, wie beabsichtigt, so hat der Beschwindelte erst beide rechtskräftig einzuklagen, muß sodann Pfanoschilling und Leihhauszinsen berichtigen und erhält zuletzt aus der öffentlichen Versteigerung des Pfandes meist viel weniger, als er an das umständliche Geschäft gewandt hat.

b) Werthprüfung. Es könnte nun zweifelhaft sein, ob trotz dieser Werthverschiedenheit hoch- und geringhaltiger echter Edelmetallwaaren und der durch Plattirung oder Galvanisirung vergoldeten oder versilberten Gegenstände, die Anfertigung und der Vertrieb derselben einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfe. Findet sich ja doch kein Staat veranlaßt, den Handel mit Originalgemälden durch ein Specialgesetz zu beschränken, obschon die Werthdifferenz eines echten Ra- phael und einer modernen Copie desselben Gemäldes viel bedeutender sein kann, als die Werthdifferenz einer 18karätigen und einer 8karätigen Gold­waare. Niemand hindert einen Grundstücksbesitzer, sein Eigenthum für das Vielfache des wirklichen Werthes an einen Anderen zu verkaufen, der von der irrigen Annahme ausgeht, dasselbe werde von einer projectirten Eisen­bahnlinie berührt werden; in beiden Fällen vorausgesetzt, daß der Irrthum des Käufers vom Verkäufer nicht absichtlich veranlaßt worden war. Der auf das allgemeine Princip von Treue und Glauben gegründete Satz, daß bei Verträgen jeder Theil das zu leisten habe, was er versprochen, wird auch für die Fälle der vorliegenden Art in dem Wortlaute des Vertrages die ent­scheidende Norm für dessen Beurtheilung erkennen lassen. Aus diesen einfachen und selbstverständlichen Satz dürfte daher auch die ganze Lehre von der »rechtlichen Bedeutung des Irrthums über den Stoff eines Vertragsgegen- Grmzboten. III. 1373. 39