All
Literarhistoriker, tadelt jetzt alle Welt Verschrobenheit der Empfindungen, Haltlosigkeit der Charaktere, Widerspruch in den Geschichten; aber auch bei Lesung der Jmmermann'schen Tragödien kann man nicht umhin mit Schaudern zurückzubeben vor dem vielen Gräßlichen, was da aufgespeichert ist, vor dem Ekelhaften, Abnormen, Ungeheuerlichen, was er, wie F. Schlegel sagt, in einen Hexentrank zusammenbraut, weil er das wahrhaft Tragische nicht zu finden weiß.
Ganz nach der Weise des Aristophcmes greift Platen aus der Schaar seiner Gegner einen Einzelnen heraus und macht ihn zum Vertreter der ganzen Richtung. In der Berhängnißvollen Gabel war Müllner der Unglückliche, den das Loos traf, hier ist es Jmmermann. Viele bedauern aufrichtig, daß Platen gerade auf diesen verfiel und ihn bloßstellte, der es am wenigsten verdient hatte. Die Ausstellung ist nicht ganz unbegründet. Jmmermann ist nicht der schlechteste jener geschmacklosen Tragiker, auch hat er später durch seinen Münchhausen hohen Ruhm erlangt; allein diesen vortrefflichen Roman schrieb er doch erst 10 Jahre später, also nach dem Tode Platen's, und ein schlechter Tragiker bleibt er auf alle Fälle. Nimmt man dazu, daß es die Nachricht von hämischen Angriffen Jmmermann's und Heine's war, die Platen überhaupt wieder dazu vermochte, ein Aristophanisches Lustspiel zu schreiben, und daß ihm von deutschen Stücken Jmmermann's „Cardenio und Celinde" (1826) und das „Trauerspiel in Tyrol" (1827) noch in frischem Andenken waren, so wird es kaum noch Wunder nehmen, wenn Platen Jmmermann zum Vertreter alles dessen machte, was er in Dingen der Poesie für verdorben und schädlich hielt. Und fürchterlich ist die Schilderung, die er von ihm gibt. Er geißelt ihn als den „schwulsteinpöklerischen Musensohn", als den Dichter Der größten, mehr als ekelhaften Metzelmig, Die je der fette Frosch Bombast in dunstigen Jrrlichtersumpf poetischen Wahnsinns laichete.
Nach Jmmermann's kunstphilosophischer Ansicht fehlen im Oedipus des Sophokles:
Die Breite, die dem Trauerspiel nothwendig ist; Der Nebenbeipersonen reiches Uebermaß; Aufwärter, Mägde, Narrm, kleine Kinderchen, Kanzleiverwandte, Taugenichtse, Krämervolk;
es fehlen „Vorzeitsfamilienmordgemälde"; „die nöthigen Anachronismen" fehlen, „geographische und andre Schnitzer" findet er nicht. Darum schreibt er einen neuen Oedipus, eben jenes Stück, das die drei mittleren Akte der Pla- ten'schen Komödie füllt und das gepfeffert ist mit Situationen, Charakteren und Aussprüchen, die nicht nur aller Poesie, sondern aller Vernunft ins Gesicht schlagen. — Hat aber auch Jmmermann den Hauptangriff zu bestehen,