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Nur so erklärt sich die Kühnheit, mit welcher der Dichter allen Gefahren zum Trotz seine Ansichten ausspricht, nur so auch die triumphirende Heiterkeit in dem Vernichtungskampfe'selbst gegen die schrecklichste Entartung.
Der Platen'schen Komödie muß dagegen jeder politische Charakter abgesprochen werden. Vorgänge und Verhältnisse des öffentlichen Lebens, Schäden und Schwächen am Staatskörper, Freuden und Leiden des Volkes, und was sonst noch aus der großen Welt einen patriotischen Dichter zu warnender, strafender oder lobender Rede veranlassen könnte, Platen sieht von dem allen in seinen Stücken völlig ab, man müßte denn einige unbedeutende Seitenhiebe hierherziehen wollen, in denen er Fürsten seiner Zeit bald als Tyrannen bald als flache Köpfe verspottet. Somit fehlt der Platen'schen Komödie der innerste Kern der Aristophaneischen Dichtung, die Politik und das öffentliche Leben. Platen selber ist sich dessen wol bewußt gewesen, er unterließ es mit Absicht, satirisch-polemische Gedichte im hohen Stile des Aristophanes zu schreiben. In der Parabase des IV. Aktes der Verh. Gabel läßt er den Chorus von sich sagen:
Mag er wissen, was vom deutschen Schaugerüst man sich verspricht, Wie es steht in deutschen Landen, frage man Poeten nicht! Einem spätern Meister überläßt er die berühmte That, Volk und Mächtige zu geißeln, ein gefürchtet Haubt im Staat.
Und bald darauf schreibt er an G. Schwab die bezeichnenden Worte: „Im Politischen bin ich vorsichtig gewesen, und habe nichts gesagt, was sich nicht jede Zeitung erlaubt; dieß geschah, um mir nicht den Weg nach Italien zu versperren, wohin ich so sehr trachte." Es ist das ein merkwürdiges Geständnis; ! Wie muß sich hier der kühne Meister seines allzu vorsichtigen Jüngers schämen! Aristophanes ringt mit dem mächtigsten Manne des Staates, weil er ihn für einen Schurken hält, setzt sich hochnothpeinlichen Processen, ja Prügeln aus und sagt doch immer wieder mit kühnem Muthe die Wahrheit im Interesse der gemeinen Wohlfahrt, und Platen schweigt, er sagt es ja selber, aus einem rein persönlichen Grunde, er schweigt, um sich nicht den Weg nach Italien zu versperren. Was sollen da noch die stolzen Worte, die er den obigen hinzufügt: „Ich habe nichts geschrieben als die reine Wahrheit, wie könnt' ich sonst schreiben, wie ich schreibe?" Gewiß athmet jede Zeile in Platen's Komödien Wahrheit, aber es ist doch eine sehr kluge, sehr bedächtige Wahrheit. Platen hätte gut gethan, von dem unpolitischen Charakter seiner Dichtungen zu schweigen; wollte er ihn aber doch erwähnen und entschuldigen, so brauchte er ja nur zu sagen: von Politik schweige ich, weil das moderne Publikum, was Sinn und Verständniß für dieselbe betrifft, nicht entfernt mit dem alten zu vergleichen ist, und dann, weil der moderne Staat nicht in gleicher Weise wie die Demokratie der Athener absolute Redefreiheit gewähren kann