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aus katholischen Mitgliedern bestehende Behörde, den katholischen Kirchenrath, ausgeübt werden. Diese Bestimmung rührt aus einer Zeit her (1819), wo die Kirche noch als eine reine Staatsanstalt behandelt wurde, wo der- Staat in die innersten Angelegenheiten der Kirche nicht nur controlirend, sondern selbstverwaltend eingriff, und wo es nicht an aufgeklärten Katholiken fehlte, welche der Staatsgewalt ganz ergeben waren, und indem sie den Anmaßungen des damals neu aufkeimenden Ultramontanismus rücksichtslos entgegen traten, das passendste Mittel darzubieten schienen, die Kirchengewalt durch Staatsorgane auszuüben. Man durfte erwarten, daß, nachdem das wirkliche Kirchengesetz von 1862 der katholischen Kirche den vollen Besitz ihrer Autonomie und den ungehemmten Verkehr mit Rom zurückgegeben, auch das Schulwesen in weitem Umfang der Kirche preisgegeben hatte, nunmehr auch der Staat bezüglich der Ausübung seiner wesentlichsten Hoheitsrechte von der bisherigen Fessel der Verfassung befreit werden würde. Statt dessen stellte man, eine Kritiklosigkeit sondergleichen — neben die freie Kirche den Staat mit gebundenen Armen. Letzterer kann seine Rechte nur ausüben durch Staatsbeamte, welche dem Bischof gänzlich ergeben sind und jeden Augenblick von ihm excommunicirt werden können! Man sieht, die Dinge stehen in Würtemberg verfassungsmäßig zur Zeit viel schlimmer als unter dem Ministerium Mühler in Preußen. Mit dieser gesetzlichen Lahmlegung des staatlichen Hoheitsrechtes über die Kirche correspondirt nun aber die ostensible Begünstigung der katholischen Interessen von Oben, auch da, wo die Staatsregierung gesetzlich freie Hand hat. Es mußte allgemeines Aufsehen erregen, daß neulich das würtem- bergische Ministerium im Bundesrath mit dem katholischen Bayern zu Gunsten der marianischen Congregation votirte: um so mehr als nach der ausdrücklichen Bestimmung des vorhin genannten Kirchengesetzes in Würtemberg ohne besondere gesetzliche Ermächtigung der „Jesuitenorden oder ihm verwandte Orden und Kongregationen nicht zuzulassen sind" und gerade für Würtemberg der engste Zusammenhang der marianischen Congregation mit dem Jesuitenorden sich historisch nachweisen läßt. Dieselbe wurde nämlich im Gebiete des jetzigen Königreichs um das Jahr 1730 durch zwei Jesuitenpatres aus dem Collegium in Dillingen gleichzeitig mit der Neugründung eines Jesuiten- collegs als ein von diesem gänzlich depcndirendes Institut eingeführt: und bildete, nachdem in der Folge jener Orden durch Pabst Clemens XIV- i. I. 1773 aufgehoben worden war, den Stützpunkt aller jesuitischen Bestrebungen im Lande; als dann in den letzten Jahren die Jesuitenmissionen aufkamen, wuchs die Zahl der Mitglieder dieser Congregation und ihr Einfluß auf das kirchliche Leben zusehends. Die Regierung aber — nirgends setzte man sich so leicht über bestehende Gesetze hinweg als in Würtemberg — drückte den Jesuiten wie der marianischen Congregation gegenüber seither die Augen