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ist, kategorische Forderungen durchzusetzen. Die wesentliche Ausgabe derselben ist vielmehr, im ebenbürtigen Verkehr mit der regierenden Klasse des Landes, in dem sie beglaubigt sind, und mit ihren dort ebenfalls beglaubigten Collegen die herrschenden Ansichten des betreffenden Landes zu studiren und auf diese Ansichten, soweit sie das von dem Gesandten vertretene Land betreffen, berichtigend, und für das eigene Land vortheilhaft einzuwirken. Das läßt sich nicht thun mit dem Lebenszuschnitt eines unbegüterten Mannes und auch nicht einmal mit einem nach einem gewissen Maßstab reichlichen Lebenszuschnitt, der aber zurückbleibt hinter dem Maßstab der Klassen, mit welchen der Gesandte verkehren soll. Gegen diese so natürliche und so einleuchtende Thatsache berief sich indessen auch Herr von Hoverbeck auf den im Style altrömischer Fabeln erfundenen Bescheid Friedrichs des Großen.
Wir kommen auf die Sitzung vom 20. November mit der Interpellation des Abg. Erhardt, betreffend die Verletzung des deutschen Strafgesetzbuches durch eine in Lippe-Detmold erlassene fürstliche Verordnung. Der Präsident des Reichskanzleramtes konnte mittheilen, daß die Neichsregierung bereits mit Erfolg eingeschritten sei. Wir freuen uns der Interpellation insofern, als nicht der leiseste Anlaß zu dem Glauben genährt werden darf, als sei das Reich außer Stande, die Mißachtung seiner Gesetze durch die Territorialregierungen zu hindern und bezüglich zu ahnden. Die übrigen Berathungsgegenstände derselben Sitzung waren technischer Art und gaben zu keinem Gegensatz der Ansichten Anlaß, außer daß der Abg. Windthorst bei Gelegenheit der Einführung des Neichsgesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienst in Baiern den Stachel seiner Sophistik wiederum zur Aufreizung des Parti- culansmus in Bewegung setzte, ohne irgend einen Erfolg zu erreichen. Es handelte sich um die Frage, ob durch die Ausdehnung des Reichsgesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienst auf Baiern der Separatstellung zu nahe getreten werde, welche in Militärsachen die Reichsverfassung für Baiern anerkannt hat. Nun kann diese Separatstellung, wie sich von selbst versteht, jederzeit ganz oder theilweise aufgegeben werden, sobald Baiern will. Es wurde die weitere Frage angeregt, wer berechtigt ist, für den Staat Baiern die Erklärung abzugeben, daß dieser Staat auf sein Separatrecht entweder verzichtet oder dasselbe für unberührt erachtet. Nichts kann klarer sein, als daß zu einem solchen Ausspruch die Stimme der bairischen Bevollmächtigten zum Bundesrath erforderlich und ausreichend ist. Der Abg. Windthorst ver> langte, daß die Zustimmung der bairischen Stände eingeholt werde, und berief sich im negativen Sinne auf das Beispiel des alten Bundestages, der so viele Anfechtungen erfahren habe, weil seine Anordnungen für die Einzelstaaten sich auf die Zustimmung der Regierungen, aber nicht auch der Landesvertretungen stützten. Aber Niemand verlangt und setzt voraus, daß die Stimme der Be-