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Napoleon III. und der Journalist Lessinnes.
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Europa ruhig". Heut dürfen wir sagen: die Laune Frankreichs, mag es mit dem Communismus, mit dem alten oder einem jungen Caesar spielen, ist Europa gleichgültig, seitdem es den Arm besitzt, der die Ausschreitungen die­ser Laune nöthigenfalls im Zaume hält.

Dom deutschen Keichstag.

Berlin, den ö, November 1871. Am 30. October fand die erste Berathung der Reichhaushaltsaufstellung statt. Die erste Berathung eines so verwickelten und großen Gegenstandes gab erklärlicher Weise nur zu allgemeinen Bemerkungen von verschiedenen Seiten Anlaß. Der cvnfervative Abgeordnete von Wedell lieh sicherlich mehr als einer Parteimeinung Ausdruck, wenn er den Etat als einen so groß­artigen und glänzenden bezeichnete, wie er kaum fe einer Volksvertretung vorgelegt worden. Mußte doch der ultramontane Abgeordnete Grell denselben Eindruck anerkennen, natürlich um sich sofort zur Bekämpfung derMilitair- last" zu wenden. Die Beweggründe des Ultramontanismus in diesem Kampf gegen die deutsche Streitbarkeit sind nur allzu durchsichtig. So sahen wir denn den Abgeordneten Laster, dessen Patriotismus niemals bezweifelt werden kann, zum ersten Male als Vertheidiger eines beträchtlichen Heeraufwandes hervortreten. Ein militärischer Tagesschriftstcller, der sich zur freiconservativen Partei zählt, schrieb kürzlich, der Abg. Lasker habe am 30. October nicht seinen glücklichen Tag gehabt. Wir fanden, daß dieser Abgeordnete noch niemals einen so guten Tag gehabt hat. Wir freuen uns. daß endlich ein­mal ein Vertreter des vorgeschrittenen Liberalismus den Muth und die Ein­sicht gehabt hat, die Ansicht für veraltet zu erklären, als sei eine starke Armee ein Hinderniß der Freiheit. Gewiß hatte der Redner Recht, wenn er sagte, es ist wichtig, auszusprechen und die Nation mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß ihre Freiheit und ihre Macht in Waffen nicht unverträgliche Gegensätze sind. Wir hätten noch lieber gesehen, wenn der Abgeordnete den Gegensatz etwas deutlicher gefaßt hätte. Es handelt sich darum, das groß­artige Institut des preußischen Heeres,', wie es seit 1815 bis auf die Gegen­wart sich entwickelt hat, nicht länger im Gegensatz zu denken mit der zukunft­reichen Entwickelung des deutschen Staates. Es ist freilich längst Mode ge­worden, die allgemeine Wehrpflicht zu preisen und was in Preußen bereits Mode war. fängt jetzt an, in Europa Mode zu werden. Aber der unter­scheidende Charakter des preußischen Heeres, dessen Charakter ja auf das deutsche Heer übergehen soll und zum Theil übergegangen ist, beruht nicht allein in der allgemeinen Wehrpflicht, sondern ebenso in denjenigen In­stitutionen, welche bewirkt haben, daß die allgemeine Wehrpflicht nicht eine ohnmächtige Miliz, sondern eine in Bezug auf Technik und kriegerischen Geist vollendete Armee geliefert hat. Es ist hohe Zeit, sagen wir, daß der Libe­ralismus, soweit er patriotisch sein will, die Aufgabe einsieht und sich zu ihr bekennt, das in seinem Wesen unangetastet zu erhaltende preußische Heer mit den künftigen Institutionen des deutschen Heeres organisch zu verschmelzen. Ohne das" Bewußtsein dieser Aufgabe bleiben Liberalismus und Heer die feindlichen Pole des 'staatswesens, die sich verhalten wie Staatszerrüttung