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Napoleon III. und der Journalist Lessinnes.
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Wapoleon III. und der Journalist Lessinnes.

Die Zeitungen haben vor einigen Wochen hinlänglich genau beschrieben, wie die französische Negierung vom 4. September 1870 bei Durchsuchung der geheimen Papiere des Kaisers Napoleon ein Packet von Schriftstücken fand, in welchen ein junger Belgier, Namens Lessinnes, der als Journalist in sei­nem Vaterlande nicht hatte zu Ehren kommen können, dem Kaiser Nachwei- sungen zu liefern sucht, wie man auf dem Wege der Corruption aller in Belgien einflußreichen Personen das Land in die Hände Frankreichs spielen könne. Unvergessen ist auch, wie der Kaiser, um die Harmlosigkeit seiner Be­ziehungen zu dem Individuum Lessinnes darzuthun, den englischen Blättern kürzlich eine Geschichte zum Besten gab, worin Lessinnes als romantischer Jäger nach einem Billet der großen Oper zu Paris, der Kaiser aber als die wohlthätige Allmacht des Märchens erscheint, welche dem verzweifelten Lieb­haber zu dem Platz verhilft, von dem aus er seine Geliebte sehen kann.

Man mag an diese Geschichten kaum ein Achselzucken des Mitleids ver­schwenden, so armselig erscheint der ehemalige Kaiser. Gleich armselig als Opfer eines unverschämten Knaben, dessen unerfahrene Dreistigkeit wider Er­warten durch die Leichtgläubigkeit des mächtigen Alleinherrschers gerechtfertigt wird, der in der Verlegenheit seiner Begierde nach jedem Strohhalm greift. Armselig aber auch als Lügner, der der Welt einreden will, er habe den scherzbaft gnädigen Kalifen gespielt, um zu verbergen, daß er der Betrogene eineö Narren geworden ist.

Es läge kein Anlaß vor, dieser Geschichten nochmals zu gedenken, wenn sie nicht das Nachspiel zu dem Buch des Herrn Benedetti bildeten. Unsere Leser erinnern sich, welch kunstfertiges Gewebe Herr Benedetti angelegt hatte, um zu beweisen, sein Herr, der Kaiser Napoleon, habe die preußische Lockung, mit deutscher Hilfe sich Belgiens zu bemächtigen, auf ebenso standhafte als feine Weise abgewiesen. Napoleon habe, so erzählt Herr Benedetti, als ihm Bismarck einen Vertrag mit dem Versprechen preußischer Hilfe bei der Weg­nahme Belgiens zugeschickt, dem Erwerbungsobject durch Randbemerkungen rheinpreußische Gebietstheile und Luxemburg substituier.

Die Funde in St. Cloud und auf Rouher's Landsitz straften diese Fabel schon arg genug Lügen, aber der Humor ist grausam, mit welchem das Schick­sal auch das Nachspiel zu dem gescheiterten Plan Napoleons, Belgien mit preußischer Hilfe zu gewinnen, an den Tag bringt. Als der Schutz der preußischen Kanonen sich versagt, sucht der erwerbssüchtige Caesar seinen Trost in den frechen Fabeln eines jung verdorbenen Müßiggängers, der ihm sämmt­liche Funcrionäre des belgischen Staates als käuflich vorspiegelt. Wie groß muß die Begierde gewesen sein, die ihren Sclaven so blind machte! Und die­sen Sclaven wollte uns Herr Benedetti als Catv hinstellen, der jeder Ver­suchung zu unrechtmäßigem Erwerb edelmüthig und stolz, fein und unnahbar aus dem Wege gegangen! Wie unerbittlich wirkt doch der Contrast, diesen Cato auf der Leimruthe eines Gelbschnabels herumhüpfen zu sehen!

Wird dieser Catv noch einmal in Frankreich den Caesar spielen? Bei diesem Volk ist nichts unmöglich. Aber dieses Volk und dieser Caesar wer­den nicht wieder Europa an ihren Augenbrauen hängen sehen, wie es traurig genug seit dem December 1851 über 10 Jahre lang der Fall war. Eines Tage's erkühnte sich dieser Caesar zu sagen:Ist Frankreich zufrieden, so ist