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Von Rom nach Florenz : VI. Terni.
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der es empfing, einen wahren Höllentcmz, Gischt und Donner, und stürmte dann brausend weiter. Wir verließen die Stelle, wo Byron dem Fall des Velino die Krone aller Wasserfälle zuerkannte, die er in seinem bewegten Leben ge­sehen, und kletterten hinüber auf den Vorsprung, wo Napoleon sich zu seinem Privatgenuß einen steineren Pavillon dicht vor die donnernden Flu­chen hatte hinbaucn lassen. Wie mag er hier, im Anblick der Majestät die­ses Falles, in der Werkstätte seines gewaltigen Geistes weltumstürzende Pläne geschmiedet haben, während der feine Sprühregen sein erhitztes Antlitz kühlte. Man möchte sich dort auf den Vorsprung setzen, wo keck ein Bäumchen in die Höhe ragt, indeß zu beiden Seiten die Wassersäulen hinabschießen und ihm nichts anhaben können. Auch dort oben am Rand, wo ahnungslos die Fluthen ihrem jähen Fall sich entgegenstauen, wiegt sich eine Pinie sorglos über dem Abgrund. Sie ist vielleicht eine späte Enkelin der Bäume, die schon zu Roms Zeiten diesen Fall umgaben. Dem Römer werk ist auch dieses Naturschauspiel! So wenig es den Anschein hat: dieser Fall ist ein Bruder des Cvlosseums, des Mausoleum Hadriani, und anderer Bauten des alten Rom, die noch jetzt der Welt imponiren. Denn auch der Sinn für die Großartigkeit und Schönheit der Natur war den Römern so wenig fremd, als irgend einem Volke, wenn auch allerdings zunächst landwirthschaftliche Rücksichten die Ursache zur Erschaffung dieses Falles gewesen sind.

Der Velino entspringt an einem Hügel bei Torrita, wo sich ein Theil der Quelle nach Westen, ein Theil nach Osten wendet, und eben den Velino bildet. Während seines 97 Kilometer langen Laufes empfängt er das Was­ser des Lagolango, Lago Nipasottile, sowie des Flusses S. Susanna, die beim Monte Terminillo vom ewigen Schnee einer der höchsten Appeninen- spitzen sich nähren, und aus unterirdischen Grotten dem Flusse reichlich koh­lensauren Kalk zuführen. Durch die Ablagerungen desselben ist die ganze Hochebene von Rieti entstanden, auf welcher die Stadt Rieti selbst liegt. In alter Zeit bildete der Fluß in dieser Ebene einen Sumpf, der die Gegend ringsum verpestete, da er keinen Ausweg fand, die Felswand gegen die von Nordosten in einem rechten Winkel zum Velino herkommende Nera vielmehr sich immer höher emporthürmte, in Folge der Kalksinterablagerungen des Flusses. Plinius sagt darüber z. B.:I^ocns illo NarmoiÄ vulgo uuncu- VKWr yuig, ibi imvmor et s-^xum ereseit." Marcus Curius Denta­ls, der dreimal Consul gewesen war und als Besieger der Sabiner ge­feiert wurde, faßte den genialen Plan, den Sumpf trocken zu legen, indem er Bahn durch die Kalkbank des Abhanges brach, und damit dem Velino Wohl seinen ursprünglichen Lauf wiedergab, der jetzt in sein eigentliches Bett zurücktrat und zu beiden Seiten Höhlen und Teiche als Andenken seiner