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getreten und wenn man damals seine parlamentarische Geschicklichkeit vor allem hochhielt, so hielt man doch den strengen Rechtssinn und jene fast antike Redlichkeit, die Hegnenberg besaß, noch unendlich höher. Die nationale Basis, welche die äußere Politik von Baiern gewonnen hat, zu verfolgen, ist nicht blos ein Gebot der Klugheit, sondern sie ist eine rechtliche Verpflichtung geworden, seit die Versailler Verträge existiren. Nie und nimmer, dessen darf man sicher sein, hätte Hegnenberg das Portefeuille des Aeußern übernommen, wenn er nicht gewillt wäre, den Inhalt dieser Verträge im vollsten Sinne und ohne jede resörvs-tio mentalis zu erfüllen.
Wie er über die innere Politik denkt, das hat seine Vergangenheit zur Genüge erwiesen. Er war „liberal" zu einer Zeit, wo dies zu sein noch weniger leicht war als heute, und wenn er nun die schwere Last eines Portefeuilles übernommen hat, so geschah es deßhalb, weil ihm unerträglich erscheint, „daß die ganze Cultur in Baiern durch die Umtriebe der Klerikalen in Frage gestellt wird". Nur mit Rücksicht hierauf ließ sich Hegnenberg trotz seiner tieferschütterten Gesundheit, trotz der glänzenden Privatstellung die er besaß, bewegen, das Opfer dieses Amtes zu bringen. Wahrlich, wäre er bereit, die Dinge gehen zu lassen, wie sie gehen wollen, so hätte er dies um einen leichteren Preis erreichen können, aber die Entschlossenheit, die in seinem Entschlüsse liegt, ließ erwarten, daß er keine Thätigkeit auf sich nehmen wolle, die thatenlos wäre. Ein Minister der wirklich liberal ist, kann der kirchlichen Frage nicht aus dem Wege gehen, er muß dieselbe vom Standpunkte des modernen Culturstaats aufgreifen; denn Liberalismus und Absolutismus gipfelt jetzt in diesem Punkte. Das baierische Ministerium aber ward gewissermaßen aä doe gewählt, wenn wir so sagen dürfen. Nur deßhalb, weil er in der kirchlichen Krisis absolut unthätig war, wurde Graf Bray entlassen und wenn sein Nachfolger nichts wäre, als ein ehrlicher Mann, so müßte er wissen, daß er sich durch diese Nachfolge allein schon zur Thätigkeit verpflichtet. Was die Persönlichkeit der beiden anderen Minister anlangt, die in das neue Cabinet treten, so bietet auch hier die Vergangenheit eine Bürgschaft der Zukunft. Herr v. Pfeuffer, der früher Polizeidirector von München und damals schon prädestinirter Minister des Innern war, hat die letzten Jahre seiner Thätigkeit als Regierungspräsident der Pfalz verbracht. Nicht nur die Fähigkeiten, die er im Gebiete der Verwaltung besitzt, sondern vor allem die seltene Humanität, die seine Amtsführung leitete, hat ihm dort einen unvergeßlichen Namen bereitet und hat es dahin gebracht, daß die Stellung seines Nachfolgers keine der leichtesten ist. Pfeuffer ist die Verkörperung einer Maxime, die man im Staatsdienste bisher fo sehr vernachlässigt hat: er stellte stets den Menschen über den Bureaukraten. Das viele Gute, das man in Baiern hätte wirken