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Ferdinand der Katholische. I.
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gestalteten in kurzer Frist die Besitzverhältnisse zu Gunsten der Krone voll­ständig um. Und wenn früher Ämter im Hof- und Staatsdienst fast nur den Adelsherren zugefallen, so stellte man jetzt meistens nicdriggeborene Ju­risten an, die von der königlichen Gnade ganz abhingen: die Gunst der Monarchen wurde ein Preis, um den sich der ehrgeizige Adelige jetzt nach­drücklich zu bewerben hatte. Noch mehr. Es kam dahin, daß der weniger Begüterte für seine Subsistenzmittel an das persönliche Wohlwollen des Kö­niges sich gewiesen sah. Durch eine ganz außerordentlich geschickte Operation brachte Ferdinand die Bertheilung aller der kleinen Rittergüter und Ritter­pensionen in seine Hand.

Im Zeitalter der Kreuzzüge waren nach dem Vorbild jener großen Ritterorden der gesammten Christenheit auf spanischem Boden der Orden von San Jago de Campostella, von Calatrava, von Alcantara erwachsen, welche den heiligen Krieg gegen den Islam lebendig zu erhalten übernahmen. Diese Orden hatten auf allerlei Weise große Reichthümer sich erworben; unter for­meller Oberhoheit des Papstes wurden sie von dem Großmeister geleitet, ganz unabhängig und unberührt von dem Willen des Landesfürsten. Alle kleineren Leute adligen Standes gehörten diesen Orden an; sie waren durch die Ver­leihung der Güter und Renten, über die der Orden verfügte, durchaus von dem Gebote des Ordensmeisters abhängig. So waren diese Adelseorporationen in sich geschlossen, voll Unabhängigkeitssinn, wahre Staaten im Staate: so lange dieser Zustand dauerte, konnte Alles, was die Könige sonst schufen, in jedem Augenblicke dem Einstürze ausgesetzt scheinen. Nun war natürlich nicht daran zu denken, daß diese Institute, die durch so viele Adern mit dem Gesammtleben der Nation zusammenhingen, sich einfach hätten beseitigen oder auflösen lassen. Aber wenn man die Gebieter der Orden, sactisch die Leiter der Adelsmajorität, mit dem Könige, mit der höchsten staatlichen Gewalt zu­sammenfallen machte so war das ein Gedanke, so einfach und einleuchtend als genial und folgenreich: er war das Ei des Columbus für die monarchische Gewalt. Als im Orden von San Jago 1476 die Großmeisterwürde erledigt war, eilte Jsabella ins Kapitel, die Wahl ihres Gemahles in seine Stelle zu sollicitiren. Höchst ungern willfahrte man ihr; und so bedenklich sah Ferdi­nand noch die Lage an, daß er nicht für sich selbst annahm, sondern seine Wahl auf einen Anderen übertrug, einen kleinen, armen, einflußlosen Ritter, der als sein Geschöpf ihm als Werkzeug für die Negierung dieses Ordens diente. Ein Jahrzehnt später läßt er seine Absicht deutlicher sehen. Bei der Wahl im Orden von Calatrava 1487 erschien er persönlich, zeigte den Rittern eine Bulle des Papstes, welche die Großmeisterwürde durch päpstliche Auto­rität ihm übertrug. Er erzwäng Annahme der Bulle durch Drohung mit offener Gewalt. Alle Einreden der Unzufriedenen halfen nichts. Ferdinand Grenzboten II. 1871. 87