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und da auch die Städte, die Rechte der alten gothischen Volks-Versammlung überkommen und zu staatsgefährlicher Bedeutung gesteigert hatten. Von seinen Ständen war der Landesfürst abhängig, in allem und jedem Acte an ihre Zustimmung und ihren guten Willen gebunden. In Castilien war die Macht der Krone fast zu einem Scheine geworden; wild und wüst tobten kleine und große Ritter und Herren durch das Land: alles Recht und aller Besitz war vor ihnen unsicher: das Gesetz des Landes war das Recht des Stärkeren. Die Beamten waren dem Adel dienstbar; alle Führerposten waren aus seiner Mitte besetzt; eigenwillig entschieden die Adelsfactionen über Krieg und Frieden. Dauernd herrschte im Adel selbst Uneinigkeit und Parteiwesen: portugiesische, narvarrische, aragonische Verbindungen, Verbrüderungen der Guzman, Davalos, Pachecos, und wie diese Familien hießen, durchkreuzten in buntem Spiele einander die Pfade, kurz, die Gefahr lag nahe, daß diese Fehden die Krone von Castilien in kleine Stücke und Scherben zerschlügen, und daß aus dem Ruine dieses Königreiches kleine autonome Adelsherrschaften wieder erwüchsen.
Den Höhepunct so unseliger Verwirrung bildet die Regierung Juan II. Der Besitz der Krone wurde damals fast vollständig an Günstlinge verschleudert: wechselnde Adelshäupter waren die eigentlichen Herren im Lande. Der Sohn und Nachfolger Juan's, Heinrich IV., hatte wohl die Einsicht in die Verderblichkeit der Zustände, aber er vermochte nichts zu ändern oder zu bessern. Nun wurde im Adel die Meinung verbreitet, das einzige Töchterchen, das die Königin geboren, Juana, sei ein Sprößling verbotenen Umganges, nicht ein Kind des Königs selbst; man erklärte, sie nicht als Thronerbin anzuerkennen. Die dem Könige feindliche Adelsfaction erhob einen Halbbruder des Königs zu ihrem Führer: Heinrich entthronend, wollte man unter dem Scheinkönigthum des Jnfanten Alfons das Land beherrschen. Als Alfons in frühem Alter gestorben, galt es, dieser antiköniglichen Partei ein neues Werkzeug, eine neue Puppe zu finden: als solche bot sich ihnen die jüngere Schwester Alfons und Heinrichs. Jsabella dar. Man wollte die Siebzehnjährige als Königin ausrufen; sie aber lieh sich nicht solchem Beginnen: „so lange ihr Bruder Heinrich lebe, sei er der König," lautete ihre Antwort an den Chef der Insurgenten, aber sie erklärte zugleich sich bereit, einen Com- promiß für die Zukunft anzubahnen. Nicht Königin einer Adelsfaction oder Räuberin der brüderlichen Krone zu werden, vielmehr Thronerbin und Nachfolgerin des Bruders, von ihm selbst anerkannt und von allen Parteien im Lande gutgeheißen: darauf zielte ihr Ehrgeiz. Es gelang ihr. In Toros de Guisando wurde das Abkommen im September 1468 besiegelt. Und wenn auch darnach wieder König Heinrich zu Gunsten seiner Tochter, die er selbst als solche stets betrachtete, die eben stipulirte Erbfolge Jsabellas umzustoßen