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die nationalen Grenzen hinausführen. Die national gesinnten Deutschen aller Confessionen stimmten diesen Erklärungen bei. Dabei konnte nicht fehlen, daß die Stellung der sogenannten Centrumsfraction, ja die bloße Existenz derselben vielfach einer verwerfenden Kritik verfiel, denn man sagte sich: was soll eine Partei im Reichstag und welches Recht hat eine Partei zu bestehen, die nicht einen Weg der nationalen Wohlfahrt. Bildung, Sittlichkeit und Eintracht verfolgt, sondern die aus der Nation mit ihrer jetzigen Größe und Kraft ein Mittel für einen ausländischen Zweck macht.
Daß nun Herr A. Reichensperger oder irgend ein anderes Mitglied der angegriffenen Fraction den Versuch einer Vertheidigung unternimmt, das kann nur willkommen geheißen werden, weil es auf jeden Fall Belehrung verspricht. Daß aber Herr A. Reichensverger sich mit seiner Vertheidigung an die französisch denkende Welt richtet, das muß nothwendig in Deutschland sehr befremden. Gesetzt, seine französischen Leser sprächen alle Herrn Reichen- sperger und dessen Partei von den Anklagen seiner deutschen Landsleute frei, was hat derselbe damit gewonnen? Er hat vielleicht dem Ausland Mittel geliefert, die dortigen Leidenschaften zu erhitzen, indem das Ausland sich um so besser einreden kann, daß die in Deutschland zum Sieg gelangte nationale Richtung durch und durch von einem Geist der Ungerechtigkeit erfüllt sei. Aber wie merkwürdig! Wessen sieht sich Herr Reichensverger angeklagt? Man zeiht ihn, daß er und die Seinen nicht national, sondern ultramontan, ausländisch gesinnt seien. Was thut Herr Reichensperger? Er hält eine Rede an das Ausland, an das vorzugsweise deutschfeindliche Ausland, darüber, wie ungerecht er mit den Seinen des Mangels an deutscher Gesinnung bezichtigt werde!
Freilich die Wendung ist nicht nicht neu, daß die Todfeinde Deutschlands sich für seine wahren, ja für seine einzig verständigen Freunde erklärten. Wie oft hat das Napoleon I. gethan, nnd Napoleon III. wollte dasselbe thun, als die für Deutschland bestimmten Proclamationen ihm in den Koffern blieben. Das deutschfeindliche Ausland wird gern Herrn Reichensperger das Zeugniß des besten deutschen Patrioten geben, aber denkt derselbe, daß er damit in unseren Augen, in den Augen irgend eines unbefangenen Deutschen gereinigt ist? Beweist seine Vertheidigung nicht schon durch das Tribunal, vor dem er sie führt, daß die Anklage begründet ist? Selbst wenn Herr Reichensperger in Deutschland nur die Aussicht hätte, ungehört verdammt zu werden, was wir entschieden verneinen, selbst dann dürfte er nicht von dem Ausland seine Freisprechung erwirken wollen. Denn wie kann das Ausland entscheiden, und noch dazu der gegen Deutschland am meisten erbitterte Theil des Auslandes, wer ein guter Deutscher ist, wer nicht? Man hat die deutschen Ultramontanen beschuldigt, sie hätten einen Sieg der fran-