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netswechfel im preußischen Sinne sein, zum Eintritt bereit war; ein Mann der vollendeten Thatsachen, der sich in die veränderten Umstände zu schicken weiß und bei der Annäherung der Ministerkrisis sich rasch dadurch möglich zu machen wußte, daß er die conservative Partei der Residenzstadt, die seinen Winken gehorcht, zu einer Demonstration für den Anschluß an Preußen veranlaßte.
Gleich bedeutsam wie der Rücktritt des Hrn. v. Neurath war der des Kriegsministers v. Hardegg. Ihm mußte man in erster Linie die militärischen Versäumnisse zuschreiben. Aus seinem Cabinet war noch vor kurzem der Entwurf einer Heeresverfassung nach schweizerischem Muster, mit viermonatlichcr Präsenz, hervorgegangen; er hatte die Schwärmerei des Herrn v. Golther für das Jugendwehrwesen unterstützt. Nach den gründlichsten Schießversuchen hatte er immer noch nicht die der schwäbischen Stammeseigenthümlichkeit völlig entsprechende Schießwaffe auffinden können. Er hatte früher geäußert, er werde, wenn der Anschluß an das preußische System durchgeführt würde, nicht auf seinem Posten bleiben. Nun wartete er aber doch, bis der König, den die unerwartete Schilderung der wirklichen Lage plötzlich entrüstete, ihm die Entlassung in auffallend ungnädiger Weise ertheilte. An seine Stelle trat der Oberst Wagner, bisher wenig genannt, doch im Rufe, einer unserer tüchtigsten Generalstabsosfiziere und dem preußischen Wehrsystem zugeneigt zu sein. Und wirklich kam nun ein frischerer Zug in das Hotel am Charlottenplatz. Eben in letzter Stunde hatte man sich noch wenigstens für irgendeinen Hinterlader entschieden und nach allen Seiten Aufträge zu schleunigster Ausführung ertheilt. Allein die Umwandlung belief sich unerwartet hoch, ohne doch zur gewünschten Zeit fertig werden zu können. Das Publikum war überzeugt, daß man mit dem Gewehr Albini-Brändle eine ganz vortreffliche Wahl getroffen habe, schüttelte aber gleichwohl den Kopf dazu, daß unser Contingent mit einer absonderlichen Waffe (wie trefflich immer) versehen werden sollte und solche Erwägung blieb auch dem neuen Kriegsminister nicht fremd. Man entschloß sich zu dem großen Opfer, doch zu der unvermeidlichen preußischen Zündnadel sich zu bequemen, nur sollte wenigstens das bisherige Kaliber beibehalten und so noch ein Stück Eigenthümlichkeit gerettet werden. Und selbst dieses letzte Opfer war man nach kurzer Zeit zu bringen bereit, ja man resignirte sich endlich so vernünftig zu sein, wie man in Baden gleich anfangs gewesen war, und sich von Preußen eine hinreichende Anzahl Zündnadelgewehre auszubitten und mit ihnen die Mannschaften einzuüben, so lange die eigenen Gewehre nicht umgewandelt. In der Formation waren schon früher Annäherungen an das preußische System erfolgt. Das preußische Dienst- und Exercierreglement sollte wenigstens durch eine Commission geprüft, und wie man sich ausdrückte, den würtembergischen Verhältnissen angepaßt werden. Die Sendung der preußischen Generale an die südlichen Höfe, die in diesen Tagen erfolgte, dürste man als eine Gewähr be-