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lung nach dieser Seite haben. Die allgemeine Wehrpflicht ist aber die ausgeprägteste Formel unsres nationalen Bewußtseins, und der Sinn, mit welchem sie erfüllt wird, kann ebenso großen und noch mannigfaltig anderen Nutzen stiften als ihr letzter Zweck. — Die Einberufung erfolgt überdies in den späteren Jahren nur wenn Krieg ist oder Kriegsgefahr droht; Einforderung zum Seedienst zumal, auf welchen die Anwohner des Meeres zunächst hingewiesen sind, setzt Zustände voraus, welche die friedfertigen Beziehungen zur See gefährdet erscheinen lassen; zu solchen Zeiten aber stockt der Seehandel ohnedies. Der „unternehmende Sendling" erfährt daher so wie so das Geschick des Vaterlandes; der Betrieb seines Gewerbes wird gefährlich oder legt ihm unfreiwillige Muße auf. Schon dadurch ändert sich die Gestalt des Schrecknisses, daß er des heimischen Bodens sich erinnern muß, dem Vaterlande die Arme zu leihen, welche sonst nur im eigenen Interesse sich rührten. Freilich, wenn er etablirt ist, hört mit der Gelegenheit, neue Geschäfte zu machen, die Arbeit im Geschäfte nicht auf, aber der Dienst in der Flotte erfordert auch kürzere Mobilpflicht, und die Sucht, in zu jungen Jahren schon selbständig dem Handel zu leben, wird selbst von verständigen Kaufleuten nicht gepriesen, ganz abgesehen von zahlreichen anderen Gesichtspunkten, die es bedenklich -.rscheinen lassen. In Fällen dringender Noth kann der Staat immerhin befreien von gar zu arger Bcdrängniß; an Mannschaft wird es darum nicht fehlen, zumal die Gesinnungen der „Republikaner" an sich noch nicht den guten Soldaten verbürgen.
Aber es sind ja keineswegs Lasten allein, die dem Seehandel durch die Errichtung des norddeutschen Bundes zufallen. Die Macht des neuen Staates soll nicht blos Opfer fordernd, sondern Wohlsein fördernd in die Geschicke der Gewerbe eingreifen. Freilich, wir leben in der Zeit der Emancipationen; der Staat soll sich in nichts mischen. Aber diese Theorie ist entsprungen aus unserem bisherigen deutschen Staatsbegriffe, aus den Erfahrungen, die am Klein- staatswescn gemacht worden sind. Nicht oft genug kann dagegen gemahnt werden, daß Staat und Staat nicht dasselbe ist. daß in den bisherigen Zuständen unseres Vaterlandes meist eher alles Negative als Positive des Staates zum Vorschein kam. Wir haben jetzt ein Gemeinwesen, das seinem Begriffe entspricht; sein Egoismus ist die Garantie unseres Wirtschaftslebens, nicht wie der Egoismus der Kleinen die fortwährende Beeinträchtigung desselben. Der Fluch aller Duodezpolitik besteht darin, daß sie sich in der Regel nicht als verkleinerte Ausgabe der Staatsweisheit, sondern als ihr einfaches Gegentheil darstellen muß. Nicht Vergrößerung blos ist vor sich gegangen durch die Anglic- derung an Preußen, ein Neues steht da, das nicht die Summe, sondern die erhöhte Potenz der früheren Factoren bildet. Darnach mvdificirt sich auch die Doctrin des Iküssezi-t'g.ir«. Auf die Spitze getrieben, schielt sie, denn sie beansprucht in conereto die Hilfe, die sie in abstracto verschmäht. Der Staat