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Der norddeutsche Bundesstaat und die großen Verkehrsinteressen.
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Der norddeutsche Bundesstaat und die großen Verkehrs­interessen.

Deutschland hat ei» Recht frei zu athmen/' sagt der Urheber des neuen, des theilweise Deutschland umfassenden Bundes, und er gab in diesem Kern­worte das einzig durchschlagende Programm der vor sich gehenden Bewegung. Deutschland hat ein Recht zu athmen! es war ihm die Kehle zusammengeschnürt und die Adern unterbunden worden; der politische Sauerstoff großartiger nationaler Lagen fehlte uns, unwürdig verzettelten sich die staatsmännischen Kräfle der Nation in beschränkten, philiströsen Verhältnissen.

Die erste Operation ist vollzogen. Der Kreislauf der politischen Ideen fängt an größere Kreise zu beschreiben und sich allmälig der Verästelungen zu entwöhnen, die ihn so lange lahmten. Aber das Wundfieber dauert noch fort. Das neue Feld des politischen Denkens und Fühlens ist noch zu fremd und das gewohnheitsmäßige Streben hinkt leicht in die früheren Bahnen zurück.

Das, was im Heilproceß entfernt werden muß, ist der Particularismus, was Kraft und Raum gewinnen soll, das Einhcitsgcfühl. Der lange Bestand von Verhältnissen, auch der im Allgemeinen nachteiligen, etablirt besondere, von jeder Neuerung bedrohte Interessen; daher der Widerstand im Besondern gegen die Reform, auch bei denen, welche dieser im Ganzen günstig sind.

Norddcutschlands Seehandcl ist unter Norddeutschlands Ungebundenheit groß geworden. Er lernte sich fühlen im schutzlosen Particularismus. Die politische Einigung soll ihn beschützend erfassen, aber in der Frage über das Wie platzen die Geister mit überraschender Heftigkeit auf einander.

Das beste Programm des norddeutschen Bundes, dies zeigt sich auch bei der Betrachtung dieser Dinge, ist die Programmlosigkeit, denn die Zukunft des neuen Bundes liegt vor uns wie die aus hoher See zu öffnende versiegelte Ordre des Geschwaders, das nur erst seine Kraft empfindet.

Grcnjboten II. 1867. 11