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Ludwig Häusser.
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ward sicher Bewunderung und Verehrung, wenn erst einige Stunden den Vor­lesungen Häusscrs gewidmet worden waren. Mit echter Andacht lauschten die Hunderte, die er im großen Pandektensaale allabendlich um sich versammelte, den zündenden Worten, in denen er die Geschichte des deutschen Baterlandes lebendig in farbenreichen Bildern vor seinem Auditorium vorüberführte. Sein Vortrag war nicht elegant, nicht sorgfältig ausgearbeitet, auch weder mit tiefen und geistreichen Reflexionen, noch mit überraschenden Parallelen und ebenso wenig mit tendentiösen Wendungen ausgestattet, aber seine Rede floß wie ein frischer Quell, reich und kräftig. Man merkte dem Vertrag an, daß der Redner im Sprechen producutc, aber eine ungewöhnliche oratorische Begabung erlaubte ihm dics, ohne baß dabei die logische Folge der Gedanken oder der geordnete Gang der Rede irgendwie gestockt hätte oder verwirrt worden wäre. Und die treue patriotische Gesinnung, die sichtlich und unverkennbar den Redner durch­drang, entzündete auch in Geist und Gemütb der Hörer edelste Begeisterung. In dem hohen Grade wie Häusser vermochte kaum ein zwciter akademischer Lehrer nur mit den rnnstcn Mitteln, ohne den eiteln Glanz lediglich blendender Rhetorik, ohne jede Benutzung der Leidenschaften der Tagespolitik, einen so großen Kreis von Zuhörern gleichmäßig für seine Wissenschaft zu intercssiren und für ihren geistigen Gehalt zu begeistern. Wenn Häusser nichts geleistet hätte, als daß es ihm gelang, durch so viele Jahre so vielen Tausenden deut­scher Jünglinge mit Flammenschrift die Geschichte des Vaterlandes vor die Seele zu führen, sie zu erheben mit der glänzenden Schilderung des Helden- muthcs unsrer Vorfahren, ihre Herzen pochen zu machen bei dem Gedanken an die schmachvolle Ohnmacht, der Deutschland verfallen war und den edelsten patriotischen Stolz in ihren Seelen zu wecken über die Großthaten der Be- frciungszeit, auch dann schon wäre scin Name werth fortzuleben in der dank­baren Erinnerung unsere.) Volkes. Der Reiz, den seine Vorlesungen über deutsche Geschichte auf die akademische Jugend ausübten, war gradezu unwider­stehlich. Der fleißige und gewissenhafte Student und der flotteste Corpsbursche, der sonst consequenter Fremdling des Hörsaals blieb, eilte jeden Abend in den Pandettensaal, um nur noch einen guten Platz zu erhalten, und wenn die Bänke die Zahl der Andrängenden nicht mehr fassen konnten, standen noch alle Gänge voll von solchen, die lieber eine Stunde in der unbequemsten Stellung stehen, als auf den Genuß dieses Vertrags verzichten mochten.

Und nicht nur die teutsche Jugend, die in Heidelberg aus allen Gauen unseres Vaterlandes zusammenströmt, auch reife Männer, auch solche, die selbst manch schönes Jahr ihres Lebens daran gearbeitet hatten, Geschichte zu machen, schöpften mit eifriger Beflissenheit aus dcm lebendigen Strome, der hier ent­sprang. Wie oft denke ich an diese Vorlesungen zurück und daran, wie wir Studenten auf die würdigen Collegen mit vcrehrungsvollem Blicke lschauten, Grenzbotm II. 18K7. 5