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Die freie Kirche im freien Staat.
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Aber um das Uebel zu beseitigen, ohne doch die Interessen des Katholicismus zu verletzen, schien kein anderes Mittel möglich, als das Papstthum auf seine eigentliche Sphäre, auf seinen ursprünglichen Beruf zurückzudrängen, ihm aber dafür auch diese Sphäre ganz zu eigen zu überlassen. Von dieser Seite also bot sich die Freiheit der Kirche als das Mittel dar, der Vcrmcngung des Welt­lichen und Geistlichen im Papstthum ein Ende zu machen und das bürgerliche Rom für die italienische Nationalität zu erobern, während das kirchliche Rom in seiner Souveränetät unangetastet blieb. Dies war wenigstens die Meinung der politisch einflußreichen Parteien, während der Gedanke einer Vernichtung des Papstthums immer nur Dogma eines kleinen Kreises war.

Es wäre grade im jetzigen Augenblick nicht ohne Interesse, geschichtlich zu verfolgen, wie in den nationalen Bestrebungen Italiens von Anfang an das kirchliche Element eine wesentliche Rolle gespielt hat, wie das eine nicht ohne das andere hervorgetreten ist, und so der Jnstinct, wenn nicht das klare Be­wußtsein vorhanden war, daß das letzte entscheidende Problem doch immer das römische sein werde. Man müßte zeigen, wie das Unterscheidende in den politischen Parteien und selbst in den literarischcn Richtungen von jeher wesent­lich eben das Verhältniß zu Rom war. Man müßte zurückgehen bis zu jenen katholischen Kreisen in der Lombardei, die aus Opposition gegen den Josephi- nismus der östreichischen Kirchenpolitik (benso die Sache des Papstthums führten, wie dem Gefühl der Nationalität Antrieb und Nahrung gaben. Man müßte an den noch bis in unsere Tage nachwirkenden Einfluß Rosminis erinnern, der lebhaft dasmonströse System" der Nationalkirchen bekämpfte und die völlige Befreiung des Papstthums von den Fürstcnbande» verlangte, aber frei­lich Freiheit nur der katholischen Kirche zugestand; an die Wandlungen Gio- bertis, der ansing mit der Zurückforderung der mittelalterlichen Wcltstellung des Papstes und aufhörte mit dem Verlangen der Sacularisation des Kirchen­staates; an die ganze Bedeutung, welche die ncnguclsische Schule für die italie­nische Wiedergeburt hatte, an die lurze aber entscheidende Probe, welche das Neuguclfcnthum auf dem heiligen Stuhle bestand, an die rcsultatloscn Verhand­lungen, welche dann während und nach der Revolution, zum Theil eben durch Rosminis und Giobcrtis Vermittelung zwischen Piemvnt und dem Papstthum geführt wurden, um die Forderungen des modernen Staats mit den Ansprüchen Roms auseinanderzusetzen.

An diesem Punkt aber setzte nun die neue piemontesischc Politik ein, um durch ein völlig neues System den Fortschritt, der ihr Lcbcnsbedingung war, zu erzwingen. Als alle Verhandlungen mit Rom fruchtlos waren, entschloß sich der seiner Mission bewußte, keck aufstrebende Staat, auf dem Wege der Gesetzgebung die Hindernisse hinwegzuräumen, welche die Kirche seiner Ent­wickelung entgegenstellte. Es war die glänzendste Zeit der piemontesischen Po-