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um ein Mehr oder Weniger ihrer persönlichen Tüchtigkeit, so schneidet er hier viel tiefer. Nicht blos als einen auf falschem Wege Begriffenen, als einen Ungläubigen, einen Despoten u. dcrgl. in., sondern als den raffinirtesten und fühllosestcn Heuchler, als einen Mann der Lüge durch und durch, stellt die eine Auffassung den Kaiser dar, während nach der andern sein Charakter, in einer edle» Freiheit von dem dunklen Hintergrunde einer in Aderglauben und wilder Leidenschaft verkommenen Zeit sich abhebend, fast ideale Züge annimmt. Meist ist es der Standpunkt des eifernden Kirchenthums auf der einen, des religiösen und auch wohl politischen Liberalismus auf der anderen Seite, die zu so extremen Ansichten über den denkwürdigen Kaiser geführt haben. In mäßigeren Entfernungen von einander pflegen sich die Urtheile zu halten, die aus nationalen Gesichtspunkten gefällt werden und sich vor allem mit dem Werthe von Friedrichs Erscheinung für das deutsche Volt zu thun machen. Den Sympathien, die ihm hier sein Kampf gegen die römische Kirchengewalt zuzuführen geeignet ist, tritt die Erwägung entgegen, daß nicht in deutschem Interesse dieser Kampf stattgefunden, daß vielmehr dies Interesse von Friedrich hinter universalistischen oder italienischen Entwürfen fortwährend ebenso zurückgesetzt, als durch die Bestrebungen der Curie gefährdet morden sei. Eben jene weitreichenden Entwürfe sind ihm aber auch wieder zum Ruhm angerechnet worden, sofern sie ein Ausfluß der mittelalterlichen Kaiscridee, diese Kaisecidec aber zur Verherrlichung und Entwickelung der deutschen Nation im Mittelalter von höchster Wichtigkeit gewesen. Daß übrigens die Beurtheilung, welche der Charakter und die Politik der gleichzeitige» Päpste finde», auf das innigste zusammenhängt mit der gewonnenen Ansicht über Friedrich, daß i» der Regel, je helleres Licht auf Friedrich fällt, desto dunklere Schatte» auf einen Gregor den Neunte» oder Jnnvccnz deu Vierten geworfen werden, versteht sich fast von selbst. Und das Alles betrifft einen Zeitraum, in welche», keineswegs die uns zu Gebote stehende Quellcn- literatur angeschuldigt werden kann, sie lasse durch ihre Aermlichkeit allen möglichen subjectiven Auffassungen freien Spielraum. Gleichzeitige Chroniken und sonstige Geschichtsbücher, Briefe und Manifeste, Denkmäler der Gesetzgebung und Urkunden im enger» Sinne liegen uns vor i» einer Fülle und Mannigfaltigkeit, von welcher eine Vorstellung zu gewinnen ein Blick in die berühmte Sammlung Huillard-Breholles oder in Böhmcrs Regestenwerk hinreicht. Wohl aber sind einem großen Theile dieser Literatur auf das stärkste die Spuren der Gegensätze eingeprägt, in denen sich Friedrichs Lebe» und Wirken bewegte. Die Mächte, die sich durch Friedrichs Thätigkeit in ihrem Innersten gefährdet sahen, sprechen da noch heute zu uns mit aller der Leidenschaftlichkeit, welche eben der tödtliche Kamps erwecken mußte. Und blicken wir auf Friedrichs eigene Aeußerungen und seine wichtigsten Handlungen, so finden wir in diese» selbst das scheinbar Entgegengesetzteste und Unverträglichsie mit einander vereinigt.
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