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bloße Privatbesprechung mit den drei angesehensten Aposteln, denen Paulus sein Evangelium vorlegt. Nach der Apostelgeschichte sind es blos einzelne Pharisäische Mitglieder der Gemeinde, welche die Frage dcr Bcschneidung als Bedingung des messianischen Heils zur Sprache brachten, nach dem Galatcrbrief besteht die Meinungsverschiedenheit zwischen den Uraposteln und Paulus selbst. Nach der Apostelgeschichte sind es gerade Petrus und Iacobus. welche die Initiative ergreifen und dcr freisinnigen Praxis des Paulus auf die zuvorkommendste
, Weise das Wort reden. Nach dem Galatcrbricf trennen sich beide Parteien, indem jede auf ihren Grundsätzen bcharrt. und nur das äußerliche Ueberein- kommcn getroffen wird, daß Paulus für sich selbst freie Hand erhält, die Mission unter den Heiden auf seine Weise zu betreiben. Die eignen Worte des Apostels sind für uns entscheidend, wie wir uns den historischen Vorgang zu denken haben. Zwischen den älteren Aposteln, die an der Spitze der jerusalemischen Gemeinde standen, und dem Apostel Paulus handelte es sich also um die Beschneidung der Heiden als Bedingung ihrer Aufnahme in die Gemeinde, um den Gegensatz des judenclnistlichcn und paulinischcn Christenthums, und der Streit war damals noch weit entfernt von irgendeiner inneren Ausgleichung. Beruft sich doch Paulus, wenn er die judcnchristlicben Borurtheilc iu den von ihm gegründeten Gemeinden bekämpft, niemals auf jenes Concordat, das nach der Apostelgeschichte abgeschlossen worden sein soll, einfach weil es niemals abgeschlossen worden ist. die Erzählung davon vielmehr einer späteren Zeit angehört, in welcher die freiere Anficht durchgedrungcn war und also auch auf die Urapostel übertragen werden mußte.
Und von hier aus siel nun ein ganz neues Licht auf die Komposition und Tendenz der Apostelgeschichte. Offenbar hatte sie an jener Stelle, wo sie durch die eignen Worte des Paulus genau controlirt werden konnte, nicht den geschichtlichen Hergang erzählt, sondern von einem späteren Standpunkt aus die einstigen Differenzen vertuscht. Eine genauere Untersuchung der Schrift. — welche Baur gestützt auf die Vorarbeiten Schneckenburgers vornahm, — zeigte nun,
'daß der historische Eharaktcr der Apostelgeschichte überhaupt ein sehr bedingter, daß sie vielmehr wesentlich als ein im Interesse dcr Ausgleichung jener Partei- gcgcnsätze geschriebenes Werk dcr späteren Zeit aufzufassen sei. wobei jeder der beiden Standpunkte, der petrinische und der paulinische, etwas von seiner principielle» Schärfe ablassen muhte. Dcr Verfasser ist ein Pauliner. der den Heidcnapostel in seiner apostolischen Würde und Wirksamkeit gegen judaistische Anfeindung vertheidigen will, allein es geschieht dies, wie es das conciliatorische Interesse der späteren Zeit erforderte, in der Weise, daß die Urapostel selbst aufgeboten werden, um die Grundsätze des Paulus zu vertheidigen und mit ihrer apostolischen Autorität zn decken. Das Hauptmittcl zu diesem Zweck ist die durch das Ganze sich ziehende Parallelisirung der beiden Apostel Petrus und Grenzbotcn II. 1804. 18