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Zeit, da die deutsche Theologie in der Masse ihrer Vertreter einem raschen Verfall entgegenging, beinahe allein stehend die Würde dieser Wissenschaft und ihren Zusammenhang mit dem geistigen Besitze der Gegenwart aufrecht hielt, so konnte man zweifelhaft sein, was größere Verehrung und Bewundrung ab- nöthigte: die seltene gelehrte Ausrüstung, mit der er auf dem Kampfplatz erschien, oder die unerschrockene Beharrlichkeit, mit der er die Waffen in dem numerisch so ungleichen Kampfe führte; der rastlos vorwärts dringende Scharfsinn, mit welchem er durch bisher pfadlose und verworrene Gebiete Bahn brach, oder die klare Besonnenheit, die nicht am Kleinen haften blieb, sondern immer aus das Große gerichtet sich nicht weigerte, wo er bessere Meinung fand, sie der eigenen einzuverleiben; die wissenschaftliche Uebcrlcgenheit oder die edle Humanität, die männliche Tüchtigkeit seines sittlichen Charakters. Dabei waren es nicht äußerliche Gaben, durch welche er geglänzt und geblendet hätte. Vielmehr war seine Art, sich zu geben, einfach, schlicht, und es war ihm ganz jener Mangel an Leichtigkeit, jene Sprödigteit des Naturells eigen, das die schwäbische Heimath so häusig ihren Söhnen mitzugeben pflegt. ES war nicht leicht durch die spröde Schale hindurchzudringen zum Kern seines Wesens, das sich nur denjenigen erschloß, in welchen er gleichfalls den lauteren Trieb, nach Wahrheit zu forschen, erkannte. Und so hatte auch die Art seines wissenschaftlichen Auftretens nichts Glänzendes, das sofort die Welt mit dem Eindruck eines Neuen und Epochemachenden überrascht hätte. Vielmehr begann er seine Forschungen geräuschlos, an einem entlegenen Punkte, in bescheidenen Grenzen, aber Schritt für Schritt und immer sicherer und kühner ging es nun von hier aus weiter; unter dem eigenen Suchen, wie unter dem Streit mit den Gegnern wnchsen seinem Geist die Schwingen, immer freier ward der Blick, immer bedeutender gestalteten sich die Resultate, die von kleinen Anfängen allmälig über das ganze Gebiet der urchristlichcn Zeit übergriffen, und so sind seine letzten Werke die vollendetsten nach Inhalt, wie nach Form, und der Tod rics ihn ab, als er eben daran war, die Gesammtheit seiner Forschungen zu einem die ganze christliche Kirche umfassenden Geschichtswerk abzurunden*).
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Baurs Bedeutung für die neuere Theologie überhaupt zu schildern und seine wissenschaftliche Wirksamkeit, welche sich über die verschiedensten Zweige der Dogmen- und Kirchengeschichte, — diese im weitesten Umfange genommen — erstreckt, im Einzelnen zu verfolgen. Es ist dies von Anderen in dankbarer Pietät gethan worden.**) Aber auch was
Durch die Publicationen aus dem Nachlaß, w-lche durch den Sohn F. Baur und den Schwiegersohn Eduard Zeller besorgt worden sind, liegt nun das ganze Geschichtswerk in fünf Bänden, Tübingen 1853—186Z, vollständig vor,
") Man vergl, außer dem Nekrolog im Schwäb, Merkur Febr. 1861, Ed, Zeller in den Preusz, Jahrbüchern 1861, Biedermann iu den Zeitstimmen aus der reformirten Kirche der Schweiz, 1861, und K. Schwarz, zur Geschichte der neuesten Theologie.