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Die Rede des Prinz-Gemahls von England.
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billig, nicht gewissenlos und nicht unempfänglich gegen die Tüchtigkeit Fremder macht, selbst wenn diese seine bittersten Feinde sein sollten. Es ist in seinen Wesen eine heitere, offene Herzlichkeit unvertilgbar, sie ist ihm in den Perioden der leidenschaftlichsten Aufregung nicht verloren gegangen, sie war in schlechten Zeiten vielleicht die liebenswürdigste Eigenschaft unserer Natur. Diesen Vorzug wenigstens besitzt das englische Volk im Ganzen betrachtet, nicht. Die tüchtige, zuweilen schwerfällige Art zu empfinden ist nicht selten mit einer hartnäckigen und kurzsichtigen Einseitigkeit des Urtheils verbunden, welches zeitweise die herrschende Stimmung des Landes in auffallender Weise beschränkt, und mehr als einmal Staatsmänner, Parlamente und Volk der Straße bis zu einer gewaltthätigen Einseitigkeit erhitzt hat. in welcher alles Gefühl für Gerechtigkeit und Wahrheit verloren ging. Wir wissen sehr wohl, auf solche Ausbrüche des blinden Fanatismus kam jedesmal eine kräftige Reaction, aber die Krisen, in denen dieser Furor der Teutonen oder Celten dort aufbrach, haben in alter und neuer Zeit mehr als einmal die Blätter der englischen Geschichte mit Thaten bezeichnet, auf welche kein Engländer stolz sein wird. Gerade bei solcher Be­schaffenheit der englischen Natur war Prinz Albert i» ausgezeichneter Weise geeignet ein unbefangener Vermittler zu werden. Sein Leben war durch eine Reihe von Iahren das Band, welches Engländer und Deutsche einander näherte. Und nur bedauern tief, daß diese Verbindung sowohl für uns, als für das Volt jenseits des Kanals verloren ist; nicht weil wir von der Politik der eng­lischen Regierung freundliche Zuneigung oder gar nationale Opfer unseren Interessen zu Liebe beanspruchen, denn wir werden, was wir wollen und müssen, auch ohne ihre guten Dienste durchsetzen. Aber wir halten es für ein Unglück, daß Deutsche und Engländer aus Jahre hinaus einander mit kalter Abneigung gegenüberstehen sollen. Und wir wissen nur, daß die Schuld dieser unnöthigen Entfremdung nicht an uns liegt.

Es ist mehr als einmal gesagt, daß England einst auf die gute Zeit der Königin Victoria und des Prinzen Albert mit Sehnsucht zurücksehen wird. Denn das Leben des Prinzen hals für England eine Zeit herbeiführen, wie sie seit Jahrhunderten als ein idealer Zustand des Staates ersehnt worden war. eine Zeit, in welcher die Parteien in Schwäche versanken und die innern Gegensätze ihre Schärfe verloren, weil die Krone höchst aufrichtig und höchst gewissenhaft die Verfassung beobachtete, eine Zeit, in weicher das helle Licht der Humanität fast jedem Einzelnen das Leben schöner und besser machte, wo die gewaltige Zunahme des Reichthums und der nationalen Kraft auch den Schwachen und Kleinen in früher unerhörter Weise zu gut kam, wo gegen die starre Orthodoxie, gegen Standeövorurtheile und den Phariscusmus der privi- legirten Classen eine reinere Sittlichkeit, freie Wissenschaft und eine weitverbreitete Freude am Dasein in den Kampf traten. An jedem dieser Fortschritte hatte