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„Eine traurige Stelle," fährt unser Reisender fort, „war dieser Sumpf, als ich an einem Sonntagsnachmittag allein daran hinwanderte. Der Boden war gefroren, und ich konnte trocken darüber gehen, aber kein Grashalm zeigte sich. Nach allen Seiten um mich her gab es Vieh in großer Menge, mächtige Ochsen, die hungernd nach einer Mahlzeit brüllten. Sie waren Schlachtthiere für die Armee, und wahrscheinlich sollten sie den hungrigen Magen nie wieder süllen. Da auf dem braunen häßlichen Gefilde, im Angefichte des Hauses des Präsidenten, stand der nutz- und gestaltlose Steinhaufen. Mir war. als sähe ich in demselben den Genius des Ortes. Groß, anspruchsvoll, luhn. ruhmredig stand er da. beretts um v,ele Köpfe größer als andere Obelisken, und doch noch ein Kind, häßlich, widerwärtig, eine Lüge. Der Gründer des Monuments hat gesagt- hier soll der Weltobelisk stehen, wie der Gründer der Stadt etwas Aehnliches von seinem Kinde gedacht haben mag. Möglich allerdings bleibt es. daß sowohl die Stadt als der Obelisk einmal fertig werden; gegenwärtig aber scheint Jedermann weder an das Eine noch an das Andere zu glauben. Ich habe großes Vertrauen zu dem amerikanischen Charakter, vermag aber weder der Stadt Washington noch dem Washington- Denkmal eine Zukunft zu weissagen. Die Prahlerei ist zu groß und das. was man bisher daran gethan hat, zu geringfügig gewesen."
Aehnliches sagt der Verfasser des Aufsatzes im „C o rnhill - Ma g azin ", mi Amerikaner. An die Möglichkeit denkend. daß Washington der Union genommen werden könnte, bemerkt er: „Der Verlust der Stadt wird vielleicht für unmöglich gehalten. Die Arbeiter schichten Quader auf Quader beim Bau des wcitgcdehnten Schatzamtes und bauen geschäftig an der großen Kuppel des> Capitols. Nur ein Bauwerk verwittert in Vernachlässigung — der unfertige Schaft des Washington-Denkmals. Ich tastete eines Nachmittags mich durch die Pfützen und Sümpfe der Straße nach der Wohnung des Vortiers und pas- sirte. nachdem ich den Schlüssel bekommen, über ein kothigeS Feld und durch nne Hcerde von Armeevieh nach den wackeligen Stufen. Ich stieg diese hinauf, schvv die Riegel einer Breterthür zurück und stand nun unter dem temporären Dache. Der Regen war hmdurch getröpfelt und hatte auf dem Boden "ne Lache Kalkwasser gebildet, und die Blöcke von Marmor, Granit. Kupfer und Blei, welche den Schaft bilden, sahen verwittert und von Frost angefressen aus. Trübsinnig las ich auf ihnen die Inschriften:
„Louisiana, ewig treu der Union, verehrt diesen Granitblock."
„Alexandria. die Heimath Washingtons, sendet diese Tafel zu dessen Denkmal. — Freiheit und Einigkeit!"
„Diese Probe von Tcnnessee-Marmor bezeugt die nimmer ersterbende An- hängiichkeit der Nachbarn Henry Clavs an die Union, gegründet von Georg Washington, dem Vater seines Landes."
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