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als unschädliche Schrulle eines sonst scharf sehenden und meist verständig urtheilenden Schriftstellers mit Schweigen übergangen werden.
Die Bergvölker des Kaukasus und ihr Freiheitskampf gegen die Russen. Nach eigner Anschauung geschildert von Theophil Lapinski lTefik Bey). Erster Band. Hamburg, Hvffmanu und Campe. 1863.
Gibt eine sehr ins Detail gehende und viel Neues enthaltende Schilderung des Lebens und Charakters, der Sitten und Sagen derjenigen Stämme des Kaukasus, welche sieh noch jetzt frei vvm russischen Joche erhalten haben, also der im Westen des Gcbirgs anges.ssenen, namentlich der Adighe, dann eine Uebersicht über die letzten Kämpfe diese, Völkerschaften, deren Verhältniß zur Türkei, zum Islam und zu Schamyis Bestrebungen — Vorgänge und Zustände, denen der Verfasser als Befehlshaber einer polnischen Truppe im Dienste dieser Gegner Rußlands nahe stand. Unter den mitgetheilten Sagen ist eine, die insofern besonders interessant ist, als sie die Prometheusmythe mit den deutschen Sagen von bergentrücktcu Heroeu mischt, und die wir deshalb hier geben. Der Abasa erzählt: „Auf dem hohen Berge, wo Verewige Schnee liegt (Elbrus) befindet sich auf dem obersten Gipfel eiue große, runde, sehr schwere Steinplatte. Mitten auf derselben sitzt ein uralter Greis. Schneeweißes Haar bedeckt sein Haupt, sei» Bart reicht bis an die Füße, sciu ganzer Körper ist mit weißen Haaren dicht bewachsen, seine Nägel an Händen und Füßen sind lang und wie die Klaueu des Adlers geformt, seine Augen roth uud leuchtend wie glühende Kohlen. Um den Hals, um die Mitte des Leibes, an Händen und Füßen trägt er schwere eherne Ketten, welche an die Steinplatte angeschmiedet sind. So sitzt und leidet er seit Jahrtausenden. Er war früher einer der besten Diener des großen Tha und ward von diesem seines Verstandes und seiner Frömmigkeit wegen noch bei Lebzeiten zum vertrauten Umgänge zugelassen. Da kamen schlechte Gedanken in seinen Kopf, er wollte ebenso mächtig uud uvch mächtiger werden als der großc Tha selber, und da er viele seiner Geheimnisse kannte und Alles zu wisse» glaubte, so suchte er ihn zu stürze». Ein langer Krieg entspann sich, zuletzt wurde der Tollkühne besiegt und zur Strafe auf dem hohen Berg angeschmiedet. Nur wenige Me»schen konnten ihn sehe» , den» das Hinaufsteigen zu ihm ist mit tause»d Gefahren verbunden, Niemand aber konnte ihn zweimal sehen und solche, die den Versuch machten, sind nie mehr zurückgekommen. Doch gibt es Greise '» den Bergen, die ihn gesprochen, aber es ist ihnen verboten, Alles zu sagen, was sie gcsehen und aehört. Ihr Bericht lautet, daß der Alte sehr fröhlich u»d munter ist, wen» er ei»c» lebendige» Menschen erblickt; er fragt jeden nach drei Dingein ob Fremde bereits das Land durchziehen und Städte und Dörfer angelegt sind; ob schon im ganzen Lande die Jugend in Schulen gebildet wird, und ob die wilden Obstbäunie viele Früchtc tragcn. Er erkundigt sich mit vieler Begierde nach diesen drei Dingen, und wenn er, wie gewöhnlich, eine verneinende Antwort erhält, ist er außer sich vor Betrübniß.
Verantwortlicher Redacteur: vr. Moritz Busch. Verlag von F. üj, Herbia. — Druck von C. E, Etbert m Leipzig.