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Die Grenze zwischen Alterthum und Mittelalter.
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in der Darstellung der Zeitgeschichte das Interesse der Kirche hinter dem der Renn­bahn zurücktritt, und man statt eines Stadtprcdigers öfter einen Kutscher zu hören meint, verfolgt die ziemlich eingehende Darstellung der griechischen Mytho­logie und Heroengeschichte lediglich einen christlich-apologetischen Zweck: das euhemeristische System ist hier bis an die Grenze des Möglichen hin aus­gebeutet, die Greuel des Heidenthums) namentlich die angeblichen Menschen­opfer bei Städtegründungen, werden mit Vorliebe regisirirt. Dieses merk­würdige Buch, das Bentley zur Folie einer seiner glänzendsten Schriften gemacht, an das er aber mit auffallender Einseitigkeit den ganz unhistonschcn Maßstab eines strengen Classicismus gelegt hat, ist bis in das zwölfte Jahr­hundert die Grundlage der byzantinischen Wcltchroniken geblieben. Ein anderer Ioannes aus Antiochien, der unter Heraklius schrieb, nahm die Chronik des Malala unter Auemerzung der gröbsten historischen Verstöße und unter Hin- zusügung von Auszügen aus Dio und Eutropius in die seinigc auf; die der­selben Zeit angehörende Osterchronik sorgte durch Hinzufügung von Consular- sasten für einen nothdürftigen chronologischen Faden und verallgemeinerte den Inhalt durch Streichung des speciell auf Antiochien Bezüglichen und Einflech- tung merkwürdiger Begebenheiten aus der Chronik von Konstantinopel. So oder so, bald in der ursprünglichen, bald in einer revidirtcn Gestalt, hat das Malala'sche Gcschichtsscbcma trotz oder wegen seiner Dürftigkeit die byzantinische Annalistik bis auf Michael Glykas herab beherrscht, und erst unter den Kom- ncnen und Paläologen nahm die Geschichtschreibung wieder einen höhern Flug, erlahmte aber bald, indem sie sich zu künstlicber Classicitcit hinaufschrauben wollte, unter dem Fluche, der auf allem Neugriechischen ruht: es ist eine Re­naissance im übelsten Sinne des Worts, die unsere Theilnahme nur wenig zu fesseln im Stande ist.

Wie im Abcndlande, so folgt auch im christlichen Orient auf das Er­löschen der altgrichischen Historik eine Lücke, aber nicht von einem, sondern von zwei vollen Jahrhunderten, für die wir buchstäblich nur zwei Geschichts­quellen haben, die dürre Möncbschronik des Theopbanes und das übcrlurze und nicht einmal gut untcrricbtete Compendium des Nicephorus, beide erst aus dem neunten Jahrhundert. Gewiß ist der Grund, daß uns über einen so wichtigen Zeitraum wie den der bilderstürmendcn Kaiser alle gleichzeitigen Berichte fehlen, nicht in dem Verluste der Geschichtöqucllen, sondern in dem unhistonschcn Sinne der Zeit zu suchen. Wer je in der Lage gewesen ist, Unter­suchungen über die spätere Kaisergeschichte anzustellen, wird es empfunden haben, daß man, selbst wo es sich noch um die Zeiten Dioclctians oder Con- stantins handelt, nicht umhin kann, das Zeugenvcrhör bis zum Ende des sechsten Jahrhunderts auszudehnen, ebensogut aber, daß man kaum jemals, nicht einmal in der Geschichte eines so späten Kaisers wie Justinian, nöthig