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Die Grenze zwischen Alterthum und Mittelalter.
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cian und Anastasius waren Jllyrier, Leo der Erste ein Thracier, Zeno geborte -- dem rohen, mitten im Reiche seine Unabhängigkeit bewahrenden Volk der Jsau- rcr an. Justin der Erste und sein Haus waren Slaven. Noch war damals die Entwicklung des neuen Beamtcnstaates nicht abgeschlossen, noch konnte man handfester Krieger auf dem Throne nicht entrathen. Es war dies die Zeit, in der bulgarische Horden während mchrer Jahrzehnte die Balkanhalbinsel von einem Ende bis zum anderen durchstreiften, sogar Konstantinopel belagerten und Anstalt machten, sich in den besetzten Landstrichen dauernd niederzulassen, und es scheint in der That, als hätten die Bulgaren mehr als irgend ein anderes Volk auf die Mischung der neugriechischen Nationalität Einfluß gehallt. Mög­lich auch, daß schon damals sich Slaven im Gefolge der Bulgaren nach Hellas geschlichen haben; allein einen Zusammenhang zwischen diesem Umstände und der slavischen Herkunft Justinians anzunehmen, ist man nicht berechtigt. Eine ganz andere principielle Bedeutung hat die Erhebung des Tiberius zum Regenten und nach dem Erlöschen des justinischen Kaiserhauses S78 zum Kaiser: in sei­ner Person besteigt der erste Grieche den Thron der Cäsaren. Tibcrius wiederum erkor sich zu seinem Nachfolger und Eidam den Mauritius aus der vollständig hellcnisirtcn Provinz Kappadvkien, deren Einwohner in der classischen Zeit als erprobte Chaisenträger, in der byzantinischen als geschmeidige Bureaukraten galten, denen um Carriere zu machen kein Mittel zu schlecht sei. Auch seine Wahl stand also in zweifacher Hinsicht in einer charakteristischen Beziehung zu dem von Justinian zum Abschluß gebrachten Regierungssystem. Es ist nun im hohen Grade merkwürdig, daß der späte syrische Chronist Gregor Barhe- bräus mit dem an der syrischen Historiographie öfters zu rühmenden gesunden .historischen Sinn den zweiten Justin als letzten Kaiser der Römer rechnet und mit Tiberius das Reich der Griechen beginnen läßt. Für uns liegt in der That hier die Grenze zwischen Alterthum und Mittelalter, insoweit es sich um das oströmische Reich handelt.

Um dieselbe Zeit ging eine wichtige Vorhut des christlichen Orients ver­loren: das christliche abyssinische Reich in Südarabicn ward 576 von den Per­sern erobert. Von den Zeiten Konstantins an war mit Jemen und Abyssinien ein ziemlich lebhafter Verkehr unterhalten worden; dieser hörte jetzt ganz aus und ist erst an der Schwelle der neuen Zeit von den Portugiesen wieder er­öffnet worden. Noch verhängnißvvller war jener Schlag, insofern durch ihn die Hoffnung auf Diversionen von dieser Seite völlig abgeschnitten ward, die in den Stürmen, welche bald darauf von Arabien aus über das oströmische Reich hereinbrachen, sehr wichtig hätten werden können. Mit der Ermordung deö Mauritius durch Phoccis und der Regierung des Letzteren (602), einer blutigen Reaction der Militärpakte! gegen das neue Regicrungssystem, beginnt das große orientalische Drama, welches der erstaunten Welt zuerst eine beispiellose Macht-