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Gericht persönlich führte, wodurch die Uebernahme der Processe von Seiten juristisch gebildeter Sachwalter ein Ding der Unmöglichkeit wurde. Nur in Krankheitsfällen gestattete man eine Ausnahme von dieser Regel, wie z, B. für den an seinen Wunden darnicderlicgenden, des Hochverrates angeklagten Miltiades, dessen Bruder Tisagvras, und für den kranken Jsolrates, dessen Sohn Aphareus plaidirte; natürlich galt es auch als Entschuldigung, wenn man, wie des Jsol'rates Freund Nikias, notorisch unfähig war, im Zusammen- hange zu sprechen. Wiewohl sich nun voraussetzen läßt, daß bei einem Volke, das in allen Stücken an die Ocffentlichkeit und an das mündliche Verfahren so , gewöhnt war, wie das athenische, die Nedefertigteit nicht so dünn gesäct gewesen sein wird, wie bei uns, so mag doch manches Herzklopfen und Kopfzerbrechen den ersten Redevcrsuchcn vorausgegangen sein. Darauf deutet auch Aristvphanes hin, wenn er in seinen „Rittern" Kleon zum Wursthändler sagen läßt: „Es geht Dir wie den meisten Menschen. Wenn Du einmal gegen einen fremden Schutzgenvssen ein Proceßchen wohl führtest, dabei die Nacht durch schwatzend und Selbstgespräche auf den Straßen hallend, und Wasser trinkend und prahlend und die Freunde belästigend, so würdest Du wohl gar für einen tüchtigen Redner gehalten." Doch half man sich bei eigener Un- geübtheit dadurch, daß man selbst nur einen kurzen Vortrag an die Nichter hielt und dann mit Erlaubniß derselben die Beistände aus der Zahl seiner Freunde, welche man mitbringen durfte, die eigentliche Anklage- und Vcrthei- digungsredc halten ließ.
Ferner lag es auch sehr nahe, sich dadurch aus der Verlegenheit zu retten, daß man sich von einem sachkundigen Manne eine Rede ausarbeiten ließ und dieselbe seinem Gedächtniß einprägte, und wenn auch der streng gesetzliche Svkrates darin eine Umgehung des Gesetzes erblicken wollte, die ihm von Lysias angebotene Vertheidigungsrcde deshalb zurückwies und seinem treuen Schüler Aeschines, der aus Armuth für Andere gerichtliche Reben verfertigte, riech, doch lieber dadurch von sich selbst zu borgen, daß er sich im Genusse der Speisen beschränkte, so war man doch damals längst über derartige Scrupel hinweg. Der erste Meister in der tunstmäßigcn politischen Rede, Antiphvn, soll zuerst solche Reden für Geld ausgearbeitet haben, und da seine Geschicklichteit und die Unwiderstehlich^ seiner Worte bekannt waren, so erhielt er auch die hohen Preise, die er stellte. Und trotzdem, daß die komischen Dichter den neuen Erwerbszweig mit ihrem Spotte geißelten, fand AntiPhon viele Nachfolger. So sah sich auch Jsokrates durch schwächliche Constitution und cmgeborne Schüchternheit genöthigt, auf die politische Lausbahn zu verzichten, gründete eine berühmte Schule und fertigte gerichtliche Reden für Andere. In der einzigen Rede, die er, und zwar für sich selbst gehalten hat, erwähnt er geradezu, daß es eine große Menge Leute gäbe, die si