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Bettina.
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trieben, er ist in Kriegsdiensten und Staatsgeschästcn gewesen, er ist der Entwicklung deutschen Dichtkunst und Philosophie mit unablässiger Aufmerksamkeit gefolgt "nd bekannte sich als Hegelianer, obgleich er sich weder den Stil dieser Schule an­briete noch sich überhaupt auf metaphysische Spcculationcn einließ. Wie sein Ver­hältniß zur Poesie mehr ein empfangendes war, so erscheint er auch Rahcl, dem Angebeteten Weibe gegenüber, und wenn uns der Bericht in seinen Denkwürdigkeiten über seine Liebe rührt der beiläufig in dieselbe Zeit fällt, in der Bettina mit Goethe corrcspondirt so zeigt uns sein Cultus der Verstorbenen, ein wie rich- 'ö» Jnstinct seine Wahl geleitet hat. Varnhagens Haus war in Berlin der Sam­melpunkt aller alten und jungen Freunde d?r Literatur; hier fand jedes, auch das Abweichendste Streben seine Geltung und Pflege, wenn cs nur von einer eigen­tümlichen Persönlichkeit getragen war. Seine Denkwürdigkeiten sind für die Pc- Nvde von 18031814 unschätzbar; wir hoffen, daß man sie aus seinen Papieren ^ganzen wird. Im Ucbrigen ist seine schriftstellerische Bedeutung von seinen Frcun- °,n überschätzt, namenilich müssen wir dagegen prvtestiren, daß man seinen Stil ^ classisch ausgibt. Im Gegentheil zeigt sich nirgend so deutlich das Unheil, wei­tes Goethes spätere Manier angerichtet hat.

Auch Bettina hatte einen zahlreichen Kreis von Verehrern, und wenn cs einem ^selben gelingen würde, uns von der hochbegabten Frau, die mit den bedeutend­en Männern Deutschlands in Verkehr stand, ein cinsachcs und schlichtes Lcbens- ° ZU entwerfen. so würdc er sich um die Litcraturgcschichtc ein wahrhaftes Ver- >enst erwerben. Es wäre namentlich jetzt, wo alle Persönlichen Rücksichten schwin­gn, an der Zeit, urkundlich festzustellen, ob wir in dem Bricfwcchfel eines Kindes Wahrheit oder Dichtung haben.

So entgegengesetzt sich Bettina und Varnhagcn waren, dieser milde und ans­uchend, jene schroff und excentrisch, so hatten sie doch eine große Vorliebe für- ander. In einem frühern Jahrgang der Grcnzbotcn findet sich ein Aufsatz: ein .^cnd bei Rahcl, in welchem sich dcr Verfasser Varnhagcn selbst geflissentlich ' Schatten stellt, um die mächtige Persönlichkeit seiner Gemahlin im vollsten Licht ^'°""ten zu lassen. In dieser Erzählung tritt auch Bettina auf. noch immer schild'""^ ^ 'hrcr Wundcrlichkcit.cn mit herzlicher Theilnahme gc-

dcis ^ werden wol auch wir ihrer gcdenkcn müsscn, mit dem Vorbehalt,

Kerb ^^rung der Bcttincn eben nur in einer bestimmten Individualität gedacht ^ cn kann und sich zur Nachahmung nicht eignet. Vor dem Erscheinen ihrer ten 5.'^^ Gc>cthc zwar schon lange verehrt und ihn als Deutschlands größ- ^ >chter bcgrüßt, .aber Bettina hat zuerst gezeigt, wie er geliebt worden ist und ^ "mn ihn lieben muß. Es ist ein sehr allgemeines Vorurthcil, Goethe in der ^^^barkcit eines kaltcn, antiken, aus Marmor gebildeten Gottes zu betrachten, den G "nr aus dcr Ferne anschauen dürft. Und so malt man ihn namentlich im Alter" Schiller ans. Scinc Porträts stammen fast durchweg aus seinem

Zeit 's "'^ ^ Mitlcbcndcn haben ihn meistens nur als Minister gesehn. In dcr Und s ^ war cs aber anders; kein Dichter hat so vicl Liebe empfangen

ge»> / ^ verdient, wenn man einem herzlichen, warmen und offenen Ent­recht ^ Verdienst zuschreiben darf. Es ist Bcttincn nicht gering anzu- daß sie dies Gcfühl in der spätern Generation wieder aufgefrischt hat und