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Eine Nacht bei den Pyramiden.
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Nachdem wir uns aus der Königskammer der CheopSpyrnmide herans- gcarbeitet, wo die Araber uns mit einerFantasia" d. h. einem nörgelnden Gesang, bei dem sie im Kreise hockten und mit den Händen den Takt klatsch­ten, regalirt hatten, füllten wir zunächst die Lungen mit einigen Zügen frischer Luft und machten dann eine Promenade durch die Gräberzeilen bei der großen Pyramide. In mehren derselben finden sich Abbildungen aus dem Leben der alten Aegypter. die im Stil denen in den Gräbern und an den Säulen und Wänden der Tempel und Paläste von Theben vollkommen gleich sind, obwol ein Jahrtausend zwischen diesen und jenen sich ausdehnt. Es sindidieselben ungeheuren Augen, dieselbe falsche Prosiistellung, dieselben zu hoch stehenden Ohren und dieselbe steife Haltung. Man trifft diese Bilder, die zum Theil noch sehr deutliche Reste ihrer bunten Färbung zeigen, namentlich >n den kleinen Todtenl'apcllen. die auf der Ostseite der Grabmale angebrächt sind. Hier erscheint der Todte stehend oder sitzend in erhabener Arbeit auf der Wand, und hat vor sich auf einem Haufen verschiedene Opfer, gerupfte Gänse, Ochsenkeulen u. a. Eine weibliche Gestalt, die hinter ihm steht und seine Gemahlin sein mag. legt den Arm um ihn, sie ist gelb, er als Aegypter vraunroth von Geficht. Hieroglyphen, welche der eine Gelehrte so, der zweite anders, ein dritter wieder anders liest, mögen seine Würden und Titel oder die ihm dargebrachten Todtenopser aufzählen. Andere Räume zeigen Scenen «us dem gewerblichen Lebeu und aus dem Landbau des alten Aegypten. Der Raum, wo die Mumie selbst beigesetzt war, befindet sich stets im Westen des Grabmals; denn der Todte war zu Osiris eingegangen, dessen Reich man sich. durch die Wüste und den Sonnenuntergang darauf gelenkt im Westen dachte.

Von den Felsengräbern unter dem Plateau der Pyramiden ist das inter­essanteste das sogenannte Grab der Zahlen. Der Mann, den man hier be- Kwb, scheint nicht zu den Hofräthen und Kammerherren gehört zu haben, sondern ein reicher Landcdelmann gewesen zu sein, schwer tragende Furchen pflügend und breitwandelnde Rinder hütend. Jedenfalls war er ein Lieb­haber der Niehwirthschaft. sonst hätte er sich wol nicht in sein Grab stellen ^sscn, umgeben von seinem Herdcnbesitz. Er steht in großer Figur auf seinen Stab gelehnt, hat einen Hund neben sich und läßt seine oierfüßigen Lieb­linge, wie es scheint, Revue passiren. Die Herden sind in verschiedenen Rei­ben übereinander sehr klein dargestellt, und gelehrte Männer haben aus den danebenstchenden Hieroglyphen herausgelesen, wie viel Stück jede Herde hat, ^4 Ochsen und Kühe, 7L0 Esel u. s. w.

Andere Gräber, die drei kleinen Pyramiden östlich von der größten, die ^ste der Chaussee oder des Dammwegs, auf welchem die Steine zu den bauten dieser Gegend herbeigeschafft wurden, gewährten nur ein flüchtiges

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