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Frankreich und Italien.
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daran gelegen sein, den Zerfall des türkischen Reichs zu hintertreiben, nnd es hat auch in der That in den meisten Fällen die Pforte zu stufen gesucht.

Freilich ging es in schwachen Stunden von dieser Idee ad; es dachte an die Möglichkeit, mit Nußland die Bente zu theilen, so namentlich 1790. Metternich sah zu klar, um sich auf eine so abenteuerliche Politik einzulassen, aber fein Wille war nicht stark genug, der offneu Gewalt etwas mehr als diplomatische Intriguen entgegenzusetzen. Das junge, wiedergeborne Oestreich, das nicht mehr an Erhaltung des Bestehenden, sondern an Eroberung dachte, arbeitete durch die Sendung des Fürsten von Leiningen entschieden den Russen in die Hände; ja vielleicht war diese Sendung der Umstand, der den Kaiser von Rußland, im voreiligen Vertrauen auf Oestreichs Zustimmnng, zu dem herausfordernden Borgehn gegen die Pforte bestimmte. War das vom wiener Cabiuet Macchiavellistische Politik? sehnte es sich, wie Fürst Schwarzenberg sagte, wirklich nach einer Gelegenheit, um an dem Ucberwinder Ungarns einenAct eclatanter Undankbarkeit" auszuüben? Es ist nicht wahr­scheinlich; vielmehr war es die nachträgliche, besonnene Ueberlegung, die Oest­reich zu der Rolle veranlaßte, die es in den folgenden Jahren gespielt. Und auch da blieb es nicht streng conservativ; zu deutlich ließ es merken, daß es in den Donaufürstenthümern mehr begehrte als die bloße Sicherung des Be­stehenden. Dem Anschein nach hatte es von den sämmtlichen am orientalischen Krieg betheiligten Mächten mit den geringsten Opfern das Meiste erreicht; in der That aber war grade durch den Verdruß der andern über diesen Erfolg seine Stellung eine sehr bedenkliche geworden.

Es hatte Nußland nicht blos Schaden, sondern eine Kränkung zugefügt, die man nicht wieder vergibt. Die englisch-französische Politik begriff mau in St. Petersburg als natürlich, die ostreichische empfand man als einen Treubruch; dort hatte man es mit einem offnen Feind zu thun, der Gut und Blut für seine Sache einsetzte, hier mit einem Gegner, der, ohne einen Ein­satz zu wagen, dnrch geschickte Schachzüge seine Sache förderte. Mit den Westmächten konnte wieder eine Verständigung erfolgen, sobald es der Vor­theil erheischte; mit Oestreich nicht.

In dem leidenschaftlichen Eifer, aus dem Bündniß mit den Westinächtcn allein in Deutschland Vortheil zu ziehen, hatte man Preußen, dessen schwan­kende unselbstständige Politik allerdings zu dem gerechtesten Tadel Anlaß bot, ans eine Weise bruskirt, die es immer feindseliger stimmen mußte. Während vor dem orientalischen Krieg der Einfluß Nußlands entschieden für Oestreich gegen Preußen in die Wagschale fiel, hatte sich nun das Verhältniß umgekehrt-

Eine innige Allianz mit den Westmächten war nicht zu Stande getont men. Die öffentliche Stimmung in England, schon früher dem östreichischen Absolutismus entschieden abgeneigt, war durch die Haltung Oestreichs wäh-