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ist nicht arm cm wen feinen psychologischen Beobachtungen, aus die des Dichters Ruhm sich hauptsächlich gründet das Ganze macht einen trüben Emdruck. Schcser besitzt eine unheimliche Virtuosität in der Zeichnung schwacher Männer, d.c zu gutmüthig sind um Haß. zu unmännlich, um wirkliche Theilnahme einzuflößen. Man hat ein Gefühl wie beim Fallen der HcrbstblÄtter nach einer plötzlich eingetretenen kalten Nacht — Sehr gut erzählt ist von Jda von Düringsscld ..Der Mann W Wollens-." der spukhaste Ausgang, die Vertauschung zweier Seelen durch Willens- »'acht, hätte um so mehr vermieden werden können, da die Dichterin selbst sich ihm gegenüber skeptisch verhält. Ein Fragezeichen ist kein guter Schluß einer Novelle. — Max Ring charaktcrisirt im „Actienkönig des vorigen Jahrhunderts" den berühmten Law. — Außerdem enthält das Taschenbuch ein Märchen von Adols Glaser in Braunschweig, und Gedichte von Fr. Bodcnstedt. Brachvogel. L. Fog- l«r. Hansgirg. Hieronymus Lorm. Julius Rodenbcrg. L. Secger und Adolf Stern. —
Vor Tagesanbruch. Erzählungen und Lieder von Amara George. — Frankfurt a. M.. Mcidinger. — Was der ominöse Titel sagen will, was die Widmung noch weiter ausführt („Nacht war es einst um mich, sternlose dunkle Nacht. Es war jedoch auch mir ein Morgen zugedacht. Das Glück des Seins, es hat auch mir gelacht.") — ist bekannt. Die Verfasserin (Gemahlin des Dichters Alexander Kaufmann) ist dem Beispiel ihres Pflegevaters Daumer. der sich wirklich allen Ernstes vom Islam zur katholischen Kirche bekehrt hat, gefolgt, und hat sich dein alleinseligmachenden Licht ergeben, das alle müden Wanderer an sich lockt. — In 'hrer Lyrik erkennt man Daumer leicht heraus:
Wenn Liebe für die Ewigkeit
Sich bindet, und so bald erwacht.
So ist gleichwohl ein Sinn darin,
Der nicht in eitel Trug besteht.
In jeglicher Bcrührungsgluth,
In jeglichem Vcrschmelzungheil
Unsterblich edler Wesen ist
Was Ewiges, das nicht verloren geht. In den Novellen ist eine große Mannigfaltigkeit; die meisten erinnern an den Ton der Gräfin Hahn, aber es ist auch eine Humoreske und sogar eine gutcrzählte Dorfgeschichte darin. Ucbcrcill zeigt sich ein poetischer Hauch, überall aber auch etwas Krankhaftes. Hysterisches, das sich in seltsamen, unvermittelten Sprüngen äußert. Als Beispiel diene die erste Novelle „ein Wort, ein Mord." Ein Lumpenhund. Albert, ist mit einem Fräulein Franke verlobt; er läßt sie im Stich, sobald er erfährt, daß sie arm sei, und hcirathct ein reiches Mädchen. Nachher begegnet ste ihm wieder als elegante Salondamc. er entbrennt in wüthender Leidenschaft, treibt seine Frau zur Scheidung, und dringt endlich nächtlich auf sie ein; um ihn fortzutreiben, ruft sie ilim zu: „eine reiche Frau ist bequemer zu lieben, als ein armes Mädchen," was ganz in der Ordnung ist. Er springt ins Wasser, und sie ^begegnet uns wieder im Büßcrgcwandc, barsuß, wirft sich vor dem Vorübergehenden aus der Straße nieder, und schreibt: „Mein Name ist ausgelöscht aus den Reihen der Lebendigen, ich selbst wandle nur noch scheinbar unter ihnen als ein
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