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Von der preußischen Grenze.
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standes in dieser Beziehung schon manches geschehn, was wir mit nm so mehr Dank anerkennen, je überraschender es den Betheitigten selbst gekommen ist. Nichts charakterisirt so sehr die Situation, als die naive Sicherheit, mit der einige der am schwersten Compromittirten auch nach dem Ministerwechsel an die Fortdauer ihrer Stellung glaubten. Es ist manches Gute geschehn, aber noch nicht genug.

Viel ernsthafter ist ein zweiter Umstand. Die diesmaligen Wahlen haben gezeigt, daß ein großer Theil der Bezirks- und Kreisregierungen die Sache so auffassen, als seien sie die eigentlichen Vertreter der Staatsgewalt, das Ministerium dagegen eine vorübergehende Erscheinung, aus die man möglichst wenig Rücksicht zu nehmen, oder gegen die man wol gar energisch vorzugehn habe. Es ist vorgekommen, daß Regiernngspräsidentcn nicht blos im Namen der Regierung sich für Candidaten. die sich offen gegen das Ministerium Aussprachen, erklärten, sondern daß sie sogar diejenigen Wühler, die für das Ministerium stimmten, alsFeinde der Regierung" in der alten Weise des Herrn von Westphalen zu benachtheiligen suchten. Könnte man für einen suchen Zustand die Möglichkeit der Fortdauer voraussetzen, so wäre es die ausgesprochne Anarchie, und für das Gedeihn des Staats viel nachth eiliger, als ein Ministerium im alten Stil.

Endlich fehlt noch sehr viel daran, daß man dem Ministerium eine ein­heitliche Zusammensetzung zuschreiben könnte, und diese wird doch wol nöthig sein, wenn Preußen mit größerer Energie als in den letzten Iahren seine Stellung innerhalb der Großmächte und namentlich innerhalb des deutschen Bundes vertreten will.

Die Frage ist nun. wie der Landtag, ohne in die königliche Prärogative einzugreisen, der einheitlichen Organisation des Staates zu Hilfe kommen soll? Es wäre ein entschiedener Eingriff in die königliche Prärogative, und. einer Negierung gegenüber, die den besten Willen zeigt, höchst taktlos, wenn man diesen oder jenen Negierungsbeamten als mißliebig bezeichnen und auf anderweitige Besetzung dringen wollte.

Es wäre noch taktloser, diese Forderung einer Epuration des Ver­waltungspersonals allgemein zu halten. Aber schon dadurch, daß die Majo­rität des Landtags nicht blind dem Ministerium als solchem anhängt, son­dern eine unabhängige politische Ueberzeugung vertritt, wird sie denjenigen Elementen der Negierung. die diese Ueberzeugung theilen, eine sehr mächtige Stütze geben. Die Hauptsache ist. daß der Landtag den Weg betritt, der schon dem altenVereinigten Landtag" als der naturgemäße, als der völjig loyale vorgezeichnet"war: den Weg der Beschwerde über bestimmte Uebcl- stände.

Dieses scheint uns die Hauptaufgabe der gegenwärtigen Legislatur und

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