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Rückblick auf die neueste Geschichte Venezuelas. 3. : Die Dynastie Monagas.
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Verbreche» trat nackt und schamlos auf. Ivsv Gregorio nämlich, sei es von Geburt, sei es vom Handwerk, erinnerte in seiner ganzen Erscheinung an die Ochsen, mit denen er als Herdenbesitzer vertraulich gelebt hatte. Beschränkten Geistes, ohne jede Bildung und gesellschaftliche Forin, so daß er in einiger­maßen anständigen Familien gar nicht zugelassen wurde, vergrub er sich ganz in seine Wohnung, gab in Unterhosen Audienzen und überließ, selbst des Schreibens nicht recht kundig, die Regierung der soi-lliLimt. Canmrillc,. welche, aus Menschen aller Art zusammengesetzt, er theilweise schon in Barcelona als Militärcommandant um sich geschart hatte. Den unbeschränktesten Einfluß hatte ein früherer Plantagenverwalter. Obrego», der anfänglich so arm, daß er um einer Summe von 800 !I,lr. nullen das alle» Gaunern wohlthätige Esperagesetz in Anspruch nahm, plötzlich ein reicher Grundeigenthümer wurde; nächst ihm der Minister Planas, ein Banl'erotteur. und der Gouverneur von Caracas, ein durch Erbschleichern berüchtigter Advocat, beides Männer von Schliff und Glätte, und von jener Geriebenheit uud Geschmeidigkeit südlichen Temperaments, die schreckhaft gefährlich wird, wo sie sich mit Gemeinheit und Verworfenheit paart. Tue rechte Hand von Ioft Gregorio, Ebef seiner farbigen Leibgarde in grauer Leinwand und bloßen Füßen, war der rohe Ne­ger Pinedcr, unterstützt von des ersteren vier ruchlosen Söhnen. deren Frech­heit und Gewalt selbst Töchtern gebildeler Familien gesährlich. deren übrige Mord- nnd Schandthaten grausenerrcgend wurden.

Diese Rotte begann einen Vernichtungskrieg gegen den Staat und die Gesellschaft. Die reichen Einkünfte der Zollämter fanden jeden andern Weg, nur nicht den in den Staatsschatz. Im I. l>> wurde durch den noch nicht ganz unterwürfigen Congreß zuerst au die Öffentlichkeit gezogen, was schon uuter Ivs<; Tadeo aus den Einnahmen der Douancn von La Gnaira, die iieiläusig gesagt - monatlich fast 30V,000 Pefvs (zu l Franken) betrugen, ge­worden war. Einfache Befehle des Präsidenten hatten genügt, bedeutende Summen fremden Speculauten, welche mit enormen Interessen ihre Gelder vorgestreckt, oder Günstlingen zuzuweisen, oder für ganz ungesetzliche Bestim­mung zu verwenden: der größte Theil war verschwunden, nnd doch harrten viele Beamte umsonst ihres Soldes. Zwar wurden der Dvuauenverwalter und der Finauzmiuister in Anklagestand versetzt, aber der gehorsame Gerichtshof sprach sie frei. Diese Unterschlagungen wurden von nun an förmlich autorisirt: das Verbrechen erhielt einen Freibrief. So erhielt ein Crcole, aus Rücksicht aus die Verdienste seines deutschen Vaters im Befreiungskriege, auf wieder­holtes Gesuch den Douaneposten von Maracaibv aus sechs Monate. Nachdem der glatte, durchtriebene Mann dem Präsidenten verbindlich die Hand gedrückt, rief dieser beim Hinausgehu des-Günstlings lachend aus:Ei was der Blond­kopf für ein Hauptspitzbube sein muß." Nach Ablauf der Frist wendete sich

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