Beitrag 
Deutsche Literaturgeschichte.
Seite
503
Einzelbild herunterladen
 

503

scharf getadelt und Bürger hatte in der That Grund sich zu beschweren, nickt über die Ungerechtigkeit, wol aber über die Lieblosigkeit des Kritikers; aber wenn dieser so scharf den Satz hervorhob, daß aus einem unharmonischen Leben, aus einem unharmonischen Gefühl nothwendig auch unharmonische Dichtungen hcrvorgehn, so meint er ebenso sehr den Dichter des Fiesco als den Dichter der Lenore. Schon der Kritiker von 17 83 und 17 84 hatte das stille Gefühl, daß in seinem Innern irgend etwas nicht richtig sei. Er hatte zugleich, und das unterscheidet ihn von Bürger, das Gefühl seiner Kraft und leines eisernen Willens, die Verwirrung zu lösen, sobald er sich nur mit seinem Bewußtsein ins Klare gesetzt.

Man verstehe unter der Verwilderung seiner frühern Jahre nicht etwa Verstoße gegen das äußere Sittengesetz; an denen hat es Goethe auch nicht fehlen lassen: es ist vielmehr eine trübe Gährung des Gefühls, in der edle und unedle Motive durcheinanderwogcn, ein lleberstürzen der Kraft, das nicht selten in Schwäche übergeht, ein fortwährendes Schwanken zwischen Ex. tremen, eine Unsicherheit des Gefühls, welche die größten Bedenken für die Znkunft erregen mußte. Der Dichter des Werther war trotz seiner leidenschaft­lichen Regungen eine ebenso harmonische Natur als der Dichter des Tasso. Ihm gab ein Gott zu sagen, was er litt und sich dadurch zu befreien. Schiller wußte in seiner frühern Periode in seinen Dichtungen noch nicht bestimmt auszudrücken, was ihn bewegte, und so wenig Karl Moor. Fiesco oder Don Carlos sich klar machten, was sie eigentlich wollten, so wenig wnßte es ihr Dichter. Noch 1785, wo er mit dem Gedanken umgmg, Minister zu werden, stand er auf einem gefährlichen Abwege, dann freilich folgte die Periode der Länterung, er hatte den, Verkehr mit Körner, mit Humboldt, mit Goethe, er hatte seiner Heirath und seiner Stellung in Jena sehr viel zu danken, das Meiste freilich seiner eignen Kraft.

Und hier war es die Aufgabe des Biographen, auch in den wüsten Ver- irrungen der Jahre 1781 bis 1785 die Spuren der geistigen Kraft nachzu­weisen, die sich später so herrlich entfaltete. Dazu gehört freilich eine größere Ruhe und Besonnenheit, als sie der Dichter des Monmuth besitzt. Er spricht in beständigen Superlativen, er ist in einer beständigen Begeisterung. Das Verhältniß zu Laura, zu Margarethe, zn Lotte Wohlzogen, zu Fr. von Kalb und die zahlreichen andern Verhältnisse, die man gelinde gesagt als Faseleien bezeichnen muß, bespricht er in einer Weise, als handele es sich um das tiefste Gefühl. Wenigstens Hütte er es doch humoristisch erzählen müssen , wie es z. B. Schwab thut. Was das Verhältniß zu Fr. von Kalb betrifft, so wollen wir mit dem Biographen darüber nicht rechten, da in solchen Dingen die Ansichten sehr getheilt sind; obgleich wir nicht verhehlen können, daß a.uch uns das ganze Verhältniß von Anfang bis Ende einen widerwärtigen Ein-