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Die Sansara und andere Romane.
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Erzählung lebhaft, trotz aller Verwicklung durchsichtig und anziehend. Der Dialog in den meisten Fällen natürlich und frei von aller Pedanterie; einzelne Scenen, namentlich da. wo eine landschaftliche Decoration die Seelenstimmung unterstützt, glänzend ausgeführt; so namentlich die erste Episode, die auch wol die Krone des Ganzen bleiben möchte. Es ist ferner dem Dichter gelungen, seinen Figuren eine kenntliche Physiognomie zu geben, was um so verdienst­licher ist. da die Herrschaften iu der großeu Welt viel ähnliches haben; und dabei sieht man, daß die Charakteristik ihm natürlich ist, daß er sie nicht erst austünstcln darf. Freilich wäre mitunter der psychologischen Analyse eine größere Tiefe zu wünschen; aber diese wird sich erst dann einstellen, wenn Meißner sich daran gewöhnt, ernster zu denken. Bis dahin möchten wir ihm den Rath geben, alle Reflexionen zu vermeiden, oder sie nachträglich zu streichen. Auch diesmal hat er seinen Helden einige Bemerkungen über deutsche Politik in den Mund gelegt, die zwar in der entgegengesetzten Richtung seiner frühern socialistischen Versuche gehn, aber um kein Haar breit verständiger sind. In solchen Dingen soll man nicht dem ersten besten Einfall nachgeben, nur das wirkliche Wissen befähigt zu einem politischen Urtheil. Wozu soll auch alle Welt raisonniren? Es ist in Deutschland genug philosophirt worden und wer wie Meißner die schöne Gabe der Erzählung und Darstellung besitzt, kann sich auch ohne nnnützes Raisomrcment die Menge zu aufrichtigem Dank verpflichten.

Wir knüpfen an diese Besprechung der Sansara die Anzeige einer zweiten Dichtung, deren Verfasser ein ähnliches descviptives Talent besitzt und schon glänzende Proben davon abgelegt hat. Unterm Krummstab, in Zwing und Bann, Roman von Robert Waldmüller. (Leipzig, Fleischer.) Der Roman spielt im 1K. Jahrhundert uud zeichnet, indem er das Klosterleben zn Grunde legt, die verschiedenen sittlichen Erscheinungen in der Schweiz, Deutschland und Italien, die damit im Zusammenhang stehn. Was bei dem Roman zunächst auffällt, sind die sorgfältigen und gründlichen Detailstudien des Verfassers. Er hat sich von den Sitten, Gewohnheiten und Nechtsgebräuchen jener Periode eine so vollständige Kenntniß erworben, daß ein Gelehrter ihn darum beneiden könnte, und er hat sie so klar auseinandergesetzt, daß man sie gewissermaßen aus ihm studiren kann. Mit einer nicht geringen Kraft der Schilderung begabt, fehlt es ihm auch an Erfindung nicht, es ist daher sehr zu beklagen, daß es ihm nicht gelungen ist. das eine mit dem andern zu einem organischen Ganzen zu verbinden. Bei seiner Entwicklung der Rechtsgewohnhciten muß man sich nicht selten fragen, was sie eigentlich im Zusammenhang sollen, und da der Romcmlcser mit Recht von dem Dichter verlangt, er solle alle seine Wissen­schaft und Kunst nur dazu anwenden, ihm den Gegenstand, die Handlung deutlich und anziehend zu machen, so wird er bei diesen Excursen, für die er in Beziehung auf das, was ihm die Hauptsache ist. keinen Zweck absieht, nicht