EnmimmM an Stllliiig.
Heinrich Jungs, genannt Stilling, Lcbcnsgcschichte, oder dessen Jugend, Jüng- lingöjahrc, Wanderschaft, Lehrjahre, häusliches Leben und Altern Für die Jugend bearbeitet von F. W, Sominerlad, Leipzig, Schlicke. —
Es hat aus die Entwickluitg unsrer Literatur einen entscheidenden Einfluß ausgeübt, daß sie seit Opiß fast ausschließlich in den Händen der Gelehrten war. Nnr von Zett zu Zeit regt sich im Volk der Trieb der Poesie, oder es kommt auch wol vor, daß Männer aus dein Gelehrtenstande sich iu das Leben des Volts vertiefen, um den fast versiegenden Quell der Dichtkunst neu zu beleben. Solche Symptome finden sich hauptsächlich im dritten Viertel des vorigen Jahrhunderts bis zu der Zeit, wo der classische Idealismus, durch griechische Studien genährt, die Poesie ganz dem Gesichtstreis des Vvlts entrückte.
.Unter den .Andern des Volts, die in jeuer Periode sich durch poetisches Talent dem Kreis der Gebildeten anschlössen, ist Jung einer der bemerkens- werthesten und es ist von dem 'Verfasser deö vorliegenden Büchleins ein Verdienst, die Aufmerksamkeit wieder auf diefe seltsame Erscheinung hingelenkt zu haben.
Man muß sich nicht durch die modernen Dorfgeschichten zu dem Glauben verleiten lassen, diese Volksdichter hätten der Poesie gesundere Säfte zugeführt. Ein richtigeres Vild geben die verschiedenen Romane von Jean Paul. Aus höchst verkümmerten, dürftigen und einförmigem Verhältnissen suchen sich strebsame Gemüther loszureißen, angeregt durch eine halbverstandene Lectüre, die ihnen ein verwirrtes Ideal vor Augen stellt und sie auch in deu günstigsten Fälleu selten zu rechtem Lebensmut!) kommen läßt. Fast überall ist der Pietismus der Vermittler zwischen dem rohen Naturdasein uud der Bildung. Der Pietismus war bekanntlich eine bewußte oder unbewußte Opposition gegen die Kirche, deren trockene Formen dem liebebedürstigen Gemüth nicht mehr genügten. Handwerter und Bauern verließen die Predigt, die ihnen über die tiefsten Geheimnisse Gottes keinen Aufschluß gab und wandten sich an die eigentliche Quelle des Ehristenthums. die Bibel, um sie nach ihrem Verstände auszulegen, oder darüber zu grübeln und sich durch einzelne Sprüche in mystische Entzückungen versetzen zu lassen. Wurde Grc»zb>.'ten II. Kl.