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Deutschland im achtzehnten Jahrhundert. 1.
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zcn abgerundet. Wir wollen in dem Folgenden versuchen, einige Andeutungen über den Inhalt zu geben, welche dazu führen mögen, das Buch selbst zur Hand zu nehmen.

Jede eingehende Darstellung der Zustünde Deutschlands im achtzehnten Jahrhundert sollte mit einem Rückblick auf den dreißigjährigen Krieg beginnen, denn seine Folgen und die Bestimmungen des westphälischcn Friedens be­herrschen die Zeit bis zur Thronbesteigung Friedrichs des Großen und wirken noch bis auf unsere Tage fort. Der Verfasser hat diesem Rückblick in Bezug auf die gesellschaftlichen und sittlichen Zustände ein eingehendes Capitel im zweiten Baude gewidmet, wir wünschten er hätte seiner Schilderung der politischen Zustände im ersten Theile eine Einleitung gegeben, welche die politischen Folgen jenes unseligen Krieges näher entwickelte. Der dreißig­jährige Krieg vereinigte die Wirkungen eines Religions- und Bürgerkrieges, der beiden schlimmsten Furien des Nationalwohles; wenn in Frankreich die Fronde, welche doch bald unterdrückt ward, zerstörender wirkte als lange auswärtige Kriege, was mußte erst die Folge jener dreißigjährigen Zerrüttung und Aufrei­bung der Kräfte Deutschlands sein! Ranke hat mit Recht gesagt, daß um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Böller Europas nicht nach Nationen, sondern nach Rcligionsparteien geschieden waren, aber damals hatten die Führer auf beiden Seiten doch große Ziele im Auge, wie man auch über Loyola denken mag. Die Zurückführung der gesammten Christenheit-zum römischen Stuhle bleibt ein großartiger Plan. Wie bald aber schwanden nach Ausbruch des Kampfes jene Ziele bis zur völligen Vergessenheit, es war nicht jener hclden- müthige Streit eines kleinen glaubensvvllen Häufleins gegen einen Unter­drücker, wo sich so ost die höchsten Eigenschaften des Menschen entwickeln, keine der beiden Parteien war stark genug die andere zu vernichten, sie schwächten sich gegenseitig bis zu dem Grade, daß das Ausland Herr und Meister der deutscheu Verhältnisse ward. Die großen religiösen Fragen traten vor persönlich politischen zurück und nur die vollständigste Entkräftung konnte zu einem Frieden führen, den man damals als einen Segen begrüßte, weil er der unerträglichen Zerrüttung ein Ziel setzte, der aber in Wahrheit die Zer­spanung Deutschlands und die Herrschast des Auslandes legalisirte. Aller Gcmeinsinn war zerstört, alles Vertrauen geschwunden, der nackte persönliche Eigennut) trat überall als das einzige Gesetz auf.

Der Verfasser beginnt mit einem Abriß der Reichsgrenzen und der innern Gliederung des Reiches selbst. In Bezug auf die erstern hebt er als bezeichnend hervor, daß das Reich ebenso wenig in Bezug auf die äußere Ausdehnung wie aus die innere Wirksamkeit seiner Macht und seiner Hohheitsrechte eine fest­stehende und anerkannte Grenze zu gewinnen vermochte oder auch nur zu ge­winnen strebte, vielmehr hier wie dort alles im Unsichern und Unklaren ließ.