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halten, stand Müller keineswegs allein*); freilich mußte ihm, dem alten Propheten des guten Rechts, das Gewissen strenger vernehmlich werden. Am 27 Febr. 1807 schrieb Gcntz, sein alter Verbündeter aus Prag: „Daß Sie laugst schon Muth und Neigung verloren hatten für eine hochbedrängte Sache, war mir bekannt. Daß in den letzten Wochen vor dem Ausbmch des preußischen Kriegs Ihre Zaghaftigkeit aufs höchste gestiegen war und einen nahe bevor- stehenden Abfall verkündigte, thaten unverkennbare Symtome mir kund. Nur mittelmäßig also konnte es mich wundern, daß Sie in Berlin zurückblieben. Daß Sie nun, nachdem dies einmal geschehn, Ihre Grundsätze, (wenigstens die, welche zeithcr sür die Ihrigen galten) Ihren Ruhm, Ihre Freunde, die Sache Deutschlands, alles Große und Gute, das Sie Jahre lang gepredigt und verfochten hatten, in feigherziger Nachgiebigkeit gegen den Sieger, in lichtscheuen Unterhandlungen mit ihm, in doppelzüngigen Bekenntnissen und Erklärungen verleugnen und anfgeben würden, daraus war ich vollkommen gesaßt. Daß Sie aber sich öffentlich lossagen könnten, — diesen Grad der Verwegenheit in der Untreue Hütte ich nicht in Ihnen gesucht." „Eine öffentliche und sehr bestimmte Erklärung über die sogenannte neue Ordnung der Diuge in Deutschland enthüllt Johannes von Müllers Gedanken über d>e rheinische Con- foderation. In diesem meuchelmörderischen Attentat, wodurch der fremde Usurpator einer fremden Regierungsgewalt alles, was noch national bei uus war, unter die Hufen seiner Pferde gestampft hat, in diesem verworfenen Machwerk der Tyrannei, konnte der lorbeerrciche Herold helvetischer und germanischer Freiheit „den Keim einer trefflichen Verfassung" und Stoffe und Anlagen finden, die es jedem Deutschen werth machen müssen, in seinen
") „Welche Worte des Lebens." schreibt am S. Febr. 1807 aus Dresden der wackere Vöttigcr, der noch vor einem halben Jahr mit Gcniz und A, Müller wetteifernd auf die Feigheit der Deutschen geschmäht, „haben Sie in Ihren Recensionen über den rheinischen Bund gesprochen! Aber dies wird Ihnen von einer gewissen Partei, die sich weder umdenke» taun noch will, zur Todsünde angerechnet. Man hält es laut sür Treubruch und Apostasie, wenn man den mit Feuer und Geist getaufte» Zertrümmerer der alten wurmstichigen, morsche» Formen für das erklärt, was er ist, ein erwähltes, hochbegnndigtcs Werkzeug Gottes. Ich könnte Ihnen 'selbst von »reinen nächste», mir liebsten Umgebungen traurige Belege dieser Ver- kcjzcrung anführe». Sie kennen meine Gestmnmge» vor jener Katastrophe, da noch ein Ausweg zur glorreichen Wiedergeburt ohne Grab und Vcrwesnng gedenkbar war. Bei Sterne», klang wog Gott am 14. Oct. die alten und neuen Forme»; des Nordens Schale stieg hoch! Nu» müsse» wir das Orakel verehre». Wir Sachsen haben es vor alle» Ursach, nicht zu murren. Bei einer großen Rcunion, die nm »enc» Iahrstng z» Ehren des Friedens hier stattsand, brachte ich den Tonst aus: es lebe der Friede »»d der ih» gab! Darüber bi» ich hier unglaublich angefeindet und ei» Mameluck gescholten worden. Von Ihm'" berichten Briefe ans Berlin, Sie'hätten mit Wcgtilguiig der vorigen Inschrift (Kricgsrath v. Müller) an Ihre Thür geschrieben: NuIIc»- äs Selr-Mrouso. Da sind »un die theilnchinendc» Freunde schon darum bekümmert, wo Sie künftig, wenn Berlin i» alte Ordnung zurückkehrt, Ihren Wohnsitz nehmen werde». Hoffentlich hat diese Sorge Ihnen noch keinen Augenblick Ihres Schlafs und Ihrer Ruhe geraubt."
Grenzbvte» II. 1,85g. 54