Beitrag 
Johannes von Müller und seine Zeit. 6.
Seite
312
Einzelbild herunterladen
 

312

Bonstetten 26. März 1801:Da, wo ihr seid, hnt man keine Idee von den Schwierigkeiten, von hier aus zu sagen und zu schreiben, was allein ich sagen möchte; und lieber schweigeich überhaupt, als schies und halb nur zu reden; ich habe es einigemal müssen thun; und wie ists mir von Euren nor­dischen Philosophen genommen worden! Ihr werdet sagen, warum ich denn bleibe? Soll ich nun, in dieser Periode der Verwirrung und Erschütterung in meinem so. Jahre wieder in die Welt hinaus um ein Stück Brot? denn in der Schweiz habe ich ja alles verloren." Im Mai 1801 verstattete man ihm eine Uricmbsreise nach der Schweiz, dein Rhein und Belgien. Man erstaunt nicht wenig, als er den französischen Boden mit Begeisterung betritt und den Nativnalstolz des revolutionären Frankreichs bewundert. Im Juli entführte er seinen Bruder mit Familie nach Wien, wo sie sich bis zum September auf­hielten. Im folgenden Jahr knüpfte er wieder ein wunderliches Verhältniß, das an die alten Beziehungen zu Tronchin erinnert: der jetzt 50jährige Mann fand einen vornehmen Jüngling, der ihm auf seine Kosten ein sorgenfreies Alter bereiten wollte, und ging mit Enthusiasmus daraus ein! Gleich daraus betrog ihn eine Gannerbande um den größern Theil seines Vermögens. Dies geschah 1803, wo er überhaupt von manchen bittern Erfahrungen heimgesucht wurde, obgleich sein Verhältniß zur Negierung sich besserte. Um dieselbe Zeit ereignete sich ein Zwischcnfall, der aus seinen Charakter ein eigenthümliches Licht wirst. DerFreimüthige" brachte eine Erzählung, nach welcher der Bibliothekar einer deutschen Hauptstadt, zugleich ein Gelehrter von europä­ischem Ruf, eiuem Durchreisenden Montesquieu nicht habe vorlegen können, weil dieser verboten sei. Müller glaubte diese Anekdote auf sich beziehn zu müssen und sandte am 12. Nov. 1803 eine Entgegnung ein, worin er jene Notiz als ein schändliche Verleumdung bezeichnete; er setzte in dem Schreiben an Nicolai ausdrücklich hinzu:Montesquieu namentlich ist ganz erlaubt." Noch auf einer Ferienreise schreibt er von Prag 31. Dec. 1803 an seinen Bruder, er wisse jetzt seine Vorgesetzten besser zu würdigen,diese Sachen sind jetzt auf recht gutem Weg, an mir soll es nicht fehlen." Am s. Jan. 1804 kam er in Dresden an, wo er Herders Tod erfuhr. Gleich nach seiner Ankunft in Weimar besuchte er die Witwe und übernahm mit seinem Bruder und Heyne die Herausgabe der Hcrderschen Schriften, die er später gewissen­haft ausführte.")Zu Weimar wurde ich aufs beste empfangen. Die ernem erte Freundschaft des in den Tagen des alten Fürstenbundes viel mit Mir verbundenen Herzogs, die ausnehmende Güte der bis in den Tod getreusten Freundin Herders, der verwittibten Herzogin, das wohlthuende Geschäft mit

') Namentlich die historische Einleitung zum Cid <1«05) im Stil der Schweizergeschichte ist von ihm.