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Pariser Kunstbericht.
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Pariser Kunstliericht.

Seitdem die Theilnahme an den öffentlichen Ausstellungen in Frankreich zn einer politischen That gestempelt wurde und den Gradmesser für die im­perialistischen Sympathien abgibt, kann man nicht mehr Haffen, sich in denselben ein treues Bild van der gegenwärtigen französischen Knnstbeweguug zu er­werben. Zahlreiche Namen glänzen regelmäßig auf den pariser Ausstellungen durch ihre Abwesenheit. Daraus auf die Unthätigkeit der Namensträger zu schließen, wäre voreilig. Man braucht nur die einzelnen Ateliers zu betreten, um sich von der unermüdlichen Wirksamkeit der älteren Künstlergeneration zu überzeugen. Sie meiden aber aus politischen Rücksichten jede Betheiligung an gvuvernementalen Schaustellungeu, um auch den leisesten Schein, als ob sie mit der gegenwärtigen Ordnung der Dinge einverstanden wären, von sich zu entfernen. An der Spitze dieser Frondeurs steht Ary Scheffcr, der treueste und anhänglichste Freund der verbannten Königsfamilie, der schärfste und offenste Gegner des napoleonischen Regiments. Mit unerbittlicher Strenge, die durch ihre Seltenheit doppelte Anerkennung verdient, weist er alle Aner­bieten und auch die schmeichelhaftesten Lockungen der Regierung ab, uud hält sich in seiner Clause Nue Chaptal, 16 verborgen, was ihn freilich nicht hin. dert, tagtäglich die Huldigungen der Berehrer seiner Kunst und der Freunde seiner politischen Richtung und duzn gehört bekanntlich die gesammte gei­stige Aristokratie Frankreichs zu empfangen. Namentlich in den letzten Wochen wurde Scheffers Werkstätte von Besuchern aus den feinsten und geistreichsten pariser Kreisen nicht leer. Es galt, den Künstler nach langer, schwerer Krankheit wieder in seinem Heiligthum zu begrüßen und zwei eben vollendete Fanstbiider, die letzten, die wir wol von Schcffers müder Hand er­warten können, zu bewundern. Zu bewundern; denn über die Bewunde­rung hinaus zu einem eingehenden Verständniß und Genuß bringen es auch gebildete Franzosen nur in den seltensten Fällen. Scheffers Motive, wie die dem Faustgedichtc überhaupt zu Grunde liegenden Ideen und Stimmungen wurzeln nicht in der nationalen französischen Anschauung; sich in dieselben zn vertiefen, sie zn durchdringen, setzte für die Franzosen eine Selbstverleugnung, eine Elasticität und Schmiegsamkeit der Phantasie voraus, wie sie am weuig-

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