240
Kritik wird deshalb billig handeln, wenn sie culturgeschichtlichcn Werken eine schonende und vorzugsweise wohlwollende Berücksichtigung zu Theil werden läßt. Solche Theilnahme sei auch dem folgenden Buche gern gegönnt:
Geschichte des deutschen St ud en tenthnms von der Gründung der deutschen Universitäten bis zu den deutschen Freiheitskriegen. Ein historischer Versuch von Oskar Dolch. Leipzig, Brockhaus 1858. — Das Werk enthält auf 800 Seiten eiize wohlgeordnete Zusammenstelluug von Notizen und interessanten Einzelheiten, zum Theil aus schwer zugänglichen Quellen, und ist im Ganzen betrachtet eine fleißige Sammlung in sehr lesbarer Znsammenstellung. Vorzugsweise Sitten und Wunderlichkeiten des alten StudcntenlebcnS sind beachtet. Sein Anspruch auf wissenschaftliche Bedeutung wird dadurch beschränkt, daß der Verfasser die älteste Geschichte der Universitäten, besonders die verschiedenen Systeme, in denen dieselben nach italienischem und französischem Muster gegründet wurden, nur wenig besprochen hat. Wenn das schöne Werk von Zarecke dem Verfasser noch nicht zugänglich war, so war doch iu älteren z. B. in Räumer schon Vieles zu finden, was einer sorgfältigen Benutzung werth gewesen wäre. Ebendeshalb sind die Mittheilungen über den Organismus der deutschen Universitäten, über Nationen und Bnrscn nicht genügend, und selbst aus den populären Schriften deS 10. und 17. Jahrhunderts wünscht man zahlreiche Nachträge, wol auch Berichtigungen. Doch gibt das verarbeitete Material immerhin dem Leser ein lebhaftes Bild vou dem wuuderlicheu Treibe« auf deu alten Universitäten und wir empfinden lebhaft mit dem Verfasser, wenn er in seinem Vorwort anführt, wie schwer es sei, ein Werk ans so wenig verarbeitetem und zuweilen schwer zugänglichem Stoss zu machen.
Das Bild, welches er von dem alten Studententhum gibt, gehört nicht zu den .holden aus der deutsche» Vergangenheit. Allerdings gilt von dem alten Studcuteu- lcbcn, was schon Robert Mohl erinnert; seine guteu Seitcu entziehen sich unserer Beobachtung, der stille Fleiß, das opferfreudige Leben für die Wissensehast, das emsige Ringen mit den größten Entbehrungen, Kämpfe, durch welche Tausende deutscher Jünglinge selbst in der schlechtesten Zeit während dem 30jährigen Kriege zu tüchtigen Männern gemacht wurden. All dieses Löbliche vermögen wir nur aus dem spätern Leben solcher Männer zu abstrahiren. Dagegen drängt sich das Wilde, Rohe, Frevelhafte ans den Univeli'itätsacten,' wie aus den zahlreichen Klagen alter Sittenschildcrcr massenhaft in den Vordergrund. Aber wie vorsichtig man mich abwägen möge, es überwiegt Elend und Schlechtigkeit in diesen Kreisen deutschen Lebens sv sehr, daß die Lobredncr alter Zeit vielleicht das schwerste Spiel haben würden, wenn sie das Einst nnd Jetzt der deutschen Universitäten vergleichen wollten. H
Penmtwottlicber Redacteur: 1). Mcnip Busch — Verleg vo» F. L, Herbig
in Leipzig.
Druck v»n C. E. Elbert i» Leipzig.