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historischen Ereigniß Theil zu nehmen, und dadurch für seine historischen Studien neue Anschauungen zu gewinnen," In derselben Zeit wurde von ihm ein Urtheil über den verstorbenen Kaiser veröffentlicht, den er so lange bekämpft. „Er war nicht von dem gewöhnlichen Schlag der Regenten. Er suchte das Gute, Unzählige Ketten von Widerständen stellten ihm die Natur des Guten in dem Spiegel des Widerspruchs dar; daher so viele Fehltritte bei der Auswahl der Mittel, daher so viele Netractationen. Hilflos im ewigen Kampfe von Schwierigkeiten, gewohnte er sich an einen eignen Gang; in der Folge glaubte er, es sei Ne- gentenvflicht. alles durch sich selbst zu thun. Unrücksichtliche Unbiegsamkeit hielt er für Gerechtigkeit; Mißbräuche abstellen für Regcntengüte; um den Namen des Großen zu verdienen für das untrüglichste Mittel. Friedrich dem Großen nachzuahmen." Viel bitterer in einem Privatbrief an seinen Bruder. „Das Wert Josephs wird allenthalben vernichtet; er hat nichts gethan, weil er zu viel und auf einmal alles thun wollte. Weil er sah, daß alle Barbaren Rußlands einerlei Gesetz gehorchten, schien es ihm auch thunlich, an der Maas, am Pruth und am Ticino die gleichen zu geben. Er war auch äußerst schlecht bedient, weil niemand vorbereitet war. Hiernächst erdrückte er alles durch die Kraft, durch deren augenblickliche Anspannung er durchzubrechen hoffte. Er hatte ein Gemisch altjesuitischer, voltairischer, preußischer, physio- kratischer und wienerisch-akademischer Grundsätze, und keine Kenntniß des Menschen, weil ihm die Geduld fehlte Beobachter zu sein. Gott gebe dem neuen König, die Ordnung herzustellen. Denn vbschou viele fürchten, hierdurch würde Oestreich zu mächtig, nichts desto weniger wünsche Ich jedem Staat möglichst hohen Flor und gutes Glück. Wider deu Mißbrauch wird Gott wissen Mittel herbeizuführen." — Durch den Tod des Kaisers war Müllers Stellung zu Oestreich wesentlich verändert. Was ihn unter Joseph zum Feinde dieses Staats gemacht, die Vertheidigung der Geistlichkeit und das cvnserva- tive Princip überhaupt, empfahl ihn der neuen Negierung als Bundesgenossen. Sein Ruhm hatte jetzt seine Höhe erreicht und er erschien als .eine wünschens- werthe Acquisitiou. Schon im December 17!>tt wurde mit ihm unterhandelt, nach Wien zu ziehn, wo er mit dem Titel eines kaiserlichen Raths eine an- selmliche Pension beziehn und so lange ohne öffentliche Geschäfte bleiben sollte, bis sich ein literarischer Platz für ihn finden sollte. Der kaiserliche Abgeordnete verwunderte sich über nichts so sehr, als daß man Müller mit Finanz- sacheu und Aehnlichem plage, worüber seine Zeit und Geisteskraft unnütz verschwendet werde. Müller sing sofort Feuer, ergriff eine beliebige Gelegenheit, um gegen den Kurfürsten seine Unzufriedenheit auszusprcchcu und bot. als dieser sich ungnadig äußerte, sofort seine Entlassung. Indeß wünschte man von Wien aus, daß Müller nicht ohne Einwilligung des Kurfürsten seinen