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Johannes von Müller und seine Zeit. 4.
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In eine Flut von Geschäften stürzte ihn der Tod des Kaiser Joseph und die darauf folgende Kaiserwahl. Die unnützen Formnlien, vci denen er als Protestant nicht einmal die erste Stelle bekleiden konnte, verdrossen ihn zwar, indessen fühlte er sich doch nicht wenig geschmeichelt,an diesem großen

bei Philippi. Es ist ei» lange nie gesehenes Schauspiel, Freiheit als Tochter des Lichts, ge­gründet auf Gesetze, n» der Spitze des größten Volks in Europa zu sehn, Die Convulsionen sind stark; aber eine freie Anfassn»« ist für das nicht zu theuer. Was hat die englische, die holländische, nuscre nicht gelastet! Nun aber ninunt mich dach Wunder, ob die Deutschen sich nicht bald schämen werde», ihrer Solidität, ihres superiorcn Verstandes sich gegen die frivolen ^ Franzosen zn rühmen? Im Uebrigen ists äußerst aufnmnterud zu sehen, daß, was Montes­quieu vor vierzig Jahren gcsäet, nun aufblüht. Es wird nichts Gutes vergeblich gesäet; den», wer sein wartet, derselbe stirbt nicht. Darum frisch zu. auch wir! denn selbst Helveticn wird nicht allezeit schlummern." An Dohm, 6. Aug.:Welch eine Seenc in Frankreich! Gesegnet sei ihr Eindruck auf Nationen und Regenten! Ich hoffe, mancher Sultn» im Reich werde heilsam erzittern, und auch manche Oligarchie lernen, daß man es nicht zu weit treiben dars. . . Knnns eine Frage sein, ob ein luftrciuigendes Donnerwetter, wen» es nnch hier und da euren erschlägt, nicht besser sei, als die Luftvergiftung, als Pest?" Au s. Nr., 14. Aug.:Der 14. Juli ist der schönste Tag seit dein Untergang der römischen Weltherrschast. Das vorige Säculum ahmte französische Frivolität »ach, das künstige wird Muth au ihucu lernen. Um wenige Burgen reicher Barone, um die Köpfe weniger, meist schul­diger Großen, ist diese Freiheit wohlfeil erkauft. Sie wird eine .Kraft in ibre Eharnkterc legen, wodurch die politische Macht wieder furchtbar emporsteige» wird. Möge» fix denn fallen, die, welche zittern, ungerechte Richter, überspannte Tyranneien! es ist recht sehr gut, daß die Könige und Räthe gewahr werden, sie seien auch Menschen." 16. Sept.:Gut ist immer, das; die Würste» gewahr »'erden, sie feie» Menschen, und daß die Vorsehung sie ans dem Schlof rüt­telt, in welche» die lange Geduld der Nationen sie eiugewiegt. Nur sollten die Eigcntlmmsrechte und die Justiz nicht so gar verletzt werden! da sie in Frankreich beide so schrecklich leiden, so wird auch mir bald »»glaublich, daß dasselbe Werk bestehen tönuc. Es ist nicht gleich dem englischen vor hmrdert Jahren. Verstand präsidirte letzter»,; diesen« Witz, Systeme, Phraseo­logie. Hierzu kommt, daß nach der Erfahrung aller Völker kein freies Volk ohne Sitten, noch diese ohne Religion bestehen mögen." Au Jacob!. ».Oct.:Mir gefällt weder die Vcr- schmährmg aller Erfahrungen voriger Zeiten und cmdrcr Völker, uoch die gewaltthätige Ueber- tretuug der heiligsten Eigenthumsrechle, uud die ganze belletristische Phraseologie, die ich oft kaum verstehe." ».Febr. >79v:Der französische Schwindel hat alle Köpfe so verwirrt, daß Geistliche und Edle tau», wünsche» dürfen, frei zu werden, aus Furcht, ihr Ruin sei dabei. Es ist zu befürchten', daß die umnäßigen Forderungen der Demagogen den Despotismus be­festigen, wo er »och j»ug ist, und seine Wiederkehr befördern, wo er verbannt schien; ich ge­stehe, daß ich von der Eonsistenz dieser überspannten Ideen mir kcincn Begriff mache» kann."- 10. März 1790:Viele hoffe» oder fürchte», der Fall des Throus »'erde cmeh de» Altar mit umreißeu. Ich gestehe, daß ich dieses »icht eben für das größte Unglück halte: in Christi Religion si»d weder Priester »och Altäre . . Indessen wird etwas Aeußerliches immer doch anch sein müssen: Ich glaube dieses, aber etwas Neues; das Alte bedürfte einer Wiedcrauffrischung; es »nisse» periodische Revolutionen kommen, sonst schlummert alles in Sinnlosigkeit ein." >4. Jul. 1790:Heute ist uuu das Frciheitssest. Ich gestehe, das; ich doch bis»'eile» glaube, es werde Bestand habe». Gott scheint mir dieses Wert zn tlinn; er will einmal eine nene Ord­nung der Dinge. Die Reformation von 1517 schien a»fa»gs anch »icht sich behaupten zn können. Der Freiheitssinn ist z» tief uud allgemein in die Völker gcfabren. und zu offenbar gewinnen sie dabei, um sichs wieder entreißen z» lassen. Partialrevvlutioiie» wird das Werk noch viele leiden, aber der Geist wird wol bleiben."

Grcnzbote» II. 1858. !i»