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Johannes von Müller und seine Zeit. 4.
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was hat es nicht gekostet, »in die Welt von den Cäsaren zu befreien. Als dem Norden der Papst nicht mehr gefiel, so entzog er sich ihm. Wenn die Päpste die Meinungen durch Aberglauben und Barbarei haben fesseln wollen, so haben sie wider sich selbst gearbeitet, als sie die Freiheit empvrbrachten, die Mutter aller Geistesentwicklung, In hundert Staaten allen freien Männern und allen ihren Fürsten auf ewig die Augen zuzuhalten, so ein Plan mag entworfen, aber nicht ausgeführt werden." Darum tritt er auf Seite der Welsen, auf Seite Heinrich des Löwen.Die Gesetze können sich nicht selber helfen; Glück genug, wenn ein großer Fürst für sie interessirt ist, und wenn mehre Fürsten vom zweiten Rang ihn bei der guten Sache unterstützen." Doch war die Macht der Welsen beim Fall der Hohenstausen zu gering, um der Anarchie abzuwehren.Dies wird vermieden, wenn ein Reichsfürst groß genug ist, um wider den größten zu schirmen, und nicht so groß, daß ihm das Reich gleichgiltig sein könne." Mit Begeisterung schildert er die moderne Idee des europäischen Gleichgewichts.Wie dem gewaltigsten so dein ge­ringsten Staat werden durch die Theilnehmung der zunächst interessirten und ferner der übrigen Staaten seine Rechte gesichert. Berträge soll keiner unter irgend einem Vorwand eigenmächtig verändern. In unbestimmten Fällen wird nach allgemeinem Interesse entschieden. Am aufmerksamsten werden die Schritte des Mächtigsten beobachtet; man darf ihm nicht erlauben, was Geringern hingehen könnte; die kleinste Uebertretung von ihm wird allgemeine Sache." Das europäische Gleichgewicht wird hauptsächlich durch die öst­reichische Universalmonarchie bedroht. Schon durch Karl 5. Man fand gegen ihn das richtige Mittel der Union; aber diese säumte zu lange.Die Protestanten waren überzeugt, ihre Sache sei gut, sie sei die Sache Gottes. Man führt eine gute Sache selten so klug und fleißig als eine böse; die menschliche Trägheit überredet uns, was gut ist, gehe von selber: ein Irr­thum sowol wider die Schrift als wider die Ordnung der Natur." Den­selben Fehler beging die Union gegen Ferdinand 2.; und rücksichtsloser be­trat nach ihrem Fall die östreichische Monarchie den Weg des Despotismus. Auch diesmal mußte Frankreich helfen wie gegen Karl 5.; schlimm genug, aber es war nicht zu vermeiden.Der wcstphälische Frieden*), den Umständen der Zeit so angemessen, in seinem Geist so umfassend und systematisch, daß er das erste Studium der Staatsmänner sein muß, befestigte die Gesetze der Deutschen und die europäische Freiheit." Der Vollender dieses Staaten­systems war Wilhelm von England, der die Uebcrmacht Ludwigs 14. brach.Seither wird für das Gleichgewicht so entscheidend am Ganges wie

') Seinen Urheber Richelieu nennt er einen großen Mann wie der Alten einen.

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