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Wochenbericht.
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schon jetzt eine Partei zu schaffen, und wenn sich das Kaiserthum hält, wird ihm das auch gelingen. Nun glauben wir zwar nicht, daß Napolevu Bvuaparte seine Krone auf dem Altar der Republik niederlegen würde, aber seine Politik sv wie seine gegenwärtigen Bcstrcdnugen sind den Ansichten der gegenwärtigen Regie­rung nichts weniger als günstig.Das Kaiserthnm sncht sich mittlerweile seinem Hofstaate nach den anderen Höfen zu assimiliren, die Etiquette wird täglich stärker, und die kurzen Hosen sind eine retrospektive Errungenschaft, welche uur der Vor­läufer vvu Aehnlichcm ist. Der Einfluß der Geistlichkeit ist uvch im Zunehmen, der Kaiser scheint sich in dieser Beziehung über seine eigenen Kräfte zu täuschen, sonst würde er dieses sich immer enger schlingende Netz mehr fürchten. Mit betrübender Ahnung erfüllt die Gemüther die außerordentliche Milde der Jahres­zeit, welche alle Keime der Natur in Thätigkeit setzt; denn der frühe Ausbrnch muß später mit dem geringsten Frosthauche seinen Tod finden. Eine Hnngers- uvth mit ihrem Gefolge von tödtlichen Krankheiten aber führte in diesem finanziell gedrückten Laude zu schrecklichen Erschütterungen. Doch wer heute das Treiben in Paris ansieht, der würde solche Befürchtungen als lächerliche Anuahme von sich weisen. Das ist eine Verschwendung und ein Luxus, daß selbst die Leute, die ihren Vortheil dabei finden, darüber erschrecken. Die Knnst hat bei solchen Zuständen nichts zu gewinnen, es fehlt die Ruhe, die zu wirklich ästhetischen Ge­nüsse» erforderlich ist. Die reichen Leute gefallen sich in der Freude an abgeschmack­ter Toilette und Boudoirsächelcheu, an der frivolen Kuustindustrie. Die Zeit des ern­sten Interesses ist noch nicht gekommen. Der Kaiser läßt wol hier und da Künstler be­schäftigen, aber es fehlt ihm jeder Sinn für die schvueu Künste, uud mit der Bestellung scheint ihm seine Aufgabe erfüllt. So führte Heinrich Lehmann im Mtel cle vitle ein großartiges Decvrationswerk von ungefähr dreißig bis vierzig Gemälden in der kurzen Frist von zehn Monaten aus, und als der Kaiser jüngst die neu- decvrirte Galerie besuchte, gönnte er dem tüustlcrischeu Theile der Ausschmückung keinen Blick. Seine gauze Aufmerksamkeit wurde vvu der Tapeziererarbeit in An­spruch geuvmmen. Ueber dieses Werk selbst ließe sich Vieles sagen. Der Ge- sammteindruck ist ein vvrtheilhafter; viele einzelne Gemälde sind vortrefflich aus­geführt, und die Eomposition bethätigt viel Geist und ungewöhnliche Befähigung. Allein der Künstler beging den Fehler, sich von der Allegorie fesseln zu lassen, und viele seiner Gemälde die ganze Reihe solle eine Art von Civilisativus- geschichte vorstellen verlieren dadurch die Unmittelbarkeit des menschlichen Inter­esses. Auch der osficielleu politische» Verwirrung des Momentes sind Zugeständ­nisse gemacht, welche uns die Frende an dem Kunstwerke verleide», allein es bleibt ein bedeutendes Werk, dem man seine Anerkennung nicht versagen kaun. Einzelne Gemälde sind, wir müssen daö wiederholen, wahre Meisterstücke, und in so kurzer Zeit würde keiner der französischen Meister so viel geleistet haben. Heinrich Lehmann hat sich durch dieses Werk als Meister der Zeichnung, als geistreicher