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Das sind die charakteristischen Bestimmungen der nenen Vorlagen für ein Gebiet, welches den reichhaltigsten nnd bildsamsten Stoff für eine großartige Schöpfnng darbot. Statt zn vrganisiren, hat man nicht nnr die durch eine vollkommene Anflösnng hervorgerufene Kraftlosigkeit fortdauern lassen, sondern sogar in die einzelneu Gemeinden selbst neue Keime der Zwietracht getragen, indem man die natürliche Verschiedenheit in der materiellen Lage ihrer Bewohner durch ein Kastensystem zu sixiren suchte und neben einer Minorität von Bevorrechteten eine von deren gntcn Willen abhängige Klasse von Minderbercchtigten und Nichtberechtigten stellte. Alles Alte und Unhaltbare hat man mit krankhafter Sorge zn restanriren gesucht; aber auf die gute alte Städteorduuug, auf das Princip der vollen Selbstverwaltung, ans das Bailot, die sicherste Bürgschaft der Wahlfreiheit und den festesten Damm gegen Demoralisation, ist man nicht zurückgegangen. Alles Neue hat man mit tiefem Mißtrauen behandelt; nnr die abhängige, würdelose Stellung der Beamten, die unö der Scheiuconstitutioualismus geschaffen, die bnreautratische Vielregiererei, die tausend Mittel zur gonvernemcntalen Einwirkung ans die Wahlen hat man als gnte Prisen beibehalten.
Die constitutivuelle Partei ist dieser Frage gegenüber in einer nuangcuehmeu Situation. Sie kaun sich für die Gem.-Ordn. v. 18!jg nicht enthusiasmiren; denn dieses Gesetz, das ein organisches werden sollte, ist uutcr deu Händen der Rechten zn einem Reglement geworden, welches der Communalfreiheit nnr einen begrenzten Spielraum gewährt. Deunoch war bei diesem Gesetz eine gcsnnde Entwickelung des Gemcindelebens möglich. Deshalb hat es die Partei gegen die Reaction vertheidigt, wiederholt seine schleimigere Durchführung gefordert. Und sie that Recht daran. Jetzt, wo die nenen Vorlagen unö nicht nnr zn einem kolossalen Rückschritt, sondern zn einem Werk der Zerstörung auffordern, ist cS doppelte Pflicht, au der Gcm.-Ordu. festzuhalten.
Die letztere wird indeß dnrch die Majorität beseitigt werden. Dauu bietet sich uns die Wahl zwischen den alten Zustanden und den nenen Vorlagen dar. Die trügerische Hoffnnng, daß diese hier uud dort dnrch ein Amendement verbessert werden könnten, wird Manchem die Wahl erschweren; nach reiflicher Erwägung zweifeln wir uicht, daß cS besser ist, schlechtweg zum Alten znrück- znkehreu.
Die Landgemcindcordnnngen sind von einem so falschen Standpunkt entworfen, daß sie — vielleicht mit Ansnahme der schlesischen — unverbesserlich sind. Man kann wol einzelne Formen corrigiren; aber man überzeugt sich bald, daß damit Nichts gewonnen wird, wenn man den Zweck solcher Gesetze in's Auge faßt.
Ein Gemciudeleben zu entzünden, den Sinn sür ein gemeinsames Streben nach würdigen Zielen zu beleben, den Geist der Sclbstständigteit, die Frcnde an vernünftigem Fortschritt zu stärken, — dazu siud jene Vorlagen nicht geeignet.